Der schwarze Schattenjaeger
Händen über meine Wangen und küsst meine Stirn. Es ist wirklich beruhigend, dass sie mich ernst nimmt.
„Das wäre toll. Vielleicht verschwindet es auch wieder tiefer in den Wald zurück.“
„Jetzt setz dich erst einmal hin, ich mache dir einen schönen, heißen Tee und dann wird schon alles gut werden …“ Tante Abby strahlt dabei eine Ruhe aus, die sich sofort auf mich überträgt. Ich nicke schweigend und nehme auf einem der Barhocker Platz, während Abby mir etwas Tee zubereitet.
„Was hat Addison bezüglich des Kuchens gesagt?“, fragt sie mich.
„Oh, ähm. Mom mag, glaube ich, gerne einen Apfelkuchen. Sie meinte, dass der Mohn immer so zwischen ihren Zähnen hängen bleibt. Daher Apfelkuchen. Sie liebt ihn, besonders wenn er von dir gemacht wird. Alleine der Duft im ganzen Haus …“ Es ist eine Lüge. Meine Mom hatte sich dazu gar nicht weiter geäußert, sondern ich habe es vorgeschlagen. Meine Tante weiß, dass Mom keinen Kuchen mehr essen kann, weil ihr das Schlucken so schwerfällt, sondern ausschließlich über Sondenkost ernährt wird. Ein Schlauch führt direkt in ihren Magen und versorgt sie so. Dies geschieht mit Wasser und mit einer Breikost, der Sondenkost. So oft ich kann, erfrische ich ihren Mund mit in Wasser eingetauchten Wattestäbchen, sodass ihr Mundraum nicht austrocknet.
Und jetzt sitze ich hier und rede über Kuchen. Etwas, das meine Mom schon lange nicht mehr schmecken kann. Ich drehe den Becher Tee in meinen Händen und wage es gar nicht, einen Schluck daraus zu trinken.
„Vielleicht lässt du es lieber mit dem Kuchen“, flüstere ich beinahe, während Abby vor mir steht und ein paar Gläser sortiert. Wir schweigen uns eine Weile an, bevor sie mir antwortet: „Möchtest du lieber einen anderen?“
Ich schüttle mit dem Kopf und kämpfe erneut mit den Tränen. Zu gerne würde ich losbrüllen und sie anschreien, dass sie doch genau weiß, dass Mom keinen Kuchen essen kann und dass ich es nicht will, wie wir alle um ihr Krankenbett herum versammelt sind und eben diesen Kuchen essen. Und sie bekommt nichts davon ab. Das ist doch nicht fair! Es ist einfach nicht fair! Wie gerne würde ich es rufen und schreien, so laut ich nur kann. Doch ich kann nicht schreien. Nicht hier und auch nicht zuhause. Ich muss immer still sein, weil sich niemand Sorgen um mich machen soll. Ich bin doch stark. Ich muss stark sein.
„Ich möchte lieber auch keinen Kuchen …“, flüstere ich mit gesenktem Kopf. Nur nicht weinen. Nur nicht weinen! Innerlich wehre ich mich dagegen, dass diese kleinen, fiesen Tränen aus meinen Augen herauswollen. Tante Abby geht in die Küche und fängt an, dort herumzuklimpern.
„Nichts da! Es gibt einen Apfelkuchen mit Nüssen und Rosinen! Addison liebt Rosinen, das weißt du doch. Sie ist sicher traurig, wenn ich plötzlich ohne Kuchen bei ihr auftauche“, ruft sie aus der Küche.
Ich habe es mal wieder geschafft … Jetzt ist Abby in der Küche und weint, und das nur wegen mir. Sie hat es auch nicht leicht. Wenn meine Mom stirbt, hat sie ihre Schwester verloren. Ich kenne meine Mom erst seit neunzehn Jahren, aber Abby ist mit ihr aufgewachsen.
Einige Minuten vergehen, in denen ich den Tee austrinke und Joshua den Laden betritt.
„Hey, guten Morgen …“, sagt er mit ruhiger Stimme, bevor er ein „Guten Morgen Mrs. Miller“ ruft.
„Ja, dir auch einen guten Morgen“, ruft Abby aus der Küche zurück. Es tut gut, Joshua zu sehen und heute scheint ein guter Tag für ihn zu sein.
„Schon drei Tage hintereinander …“, sagt er breit grinsend und gibt mir so zu verstehen, dass er und Chloe sich bereits seit drei Tagen gut verstehen. Keine seltsamen Ausflüchte ihrerseits mehr oder andere Eskapaden.
„Hey, das ist doch super“, antworte ich begeistert.
„Sie ist so toll, ehrlich. Wir reden die ganze Zeit über dieses neue Online-Game, skyfloating champions ! Das ist so genial und ihr Charakter ist sogar drei Level höher als meiner, obwohl ich einen Tag eher angefangen habe.“ Während Joshua so leidenschaftlich von Chloe erzählt, höre ich ihm gespannt zu. Es ist wirklich angenehm, seinen Geschichten zu lauschen und diese Liebesgeschichte vom ersten Tag an mitzuverfolgen.
„Oh, Mist, es ist ja schon wieder so spät! Ich komme heute Mittag auf jeden Fall wieder, so gegen 12.30 Uhr? Dann ist doch Tom da und wir können zusammen Pause machen?“ Joshua ist ganz aufgeregt und ich sehe ihm an, dass er am liebsten jetzt sofort losstürmen
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