Der schwarze Schattenjaeger
später mit Kimberley kam. Als Kimmy wenige Wochen alt war, hörte meine Mom auf, im Café zu arbeiten. Erst hieß es, es sei nur eine Grippe. Doch es wurde immer schlimmer. Niemand wollte mir etwas sagen. Der Arzt redete nicht mit mir, meine Mom redete nicht mit mir und auch sonst sagte mir jeder, dass alles in Ordnung sei. Aber damals, vor fünf Jahren, lauschte ich einem Gespräch und fand so heraus, dass sie Krebs hat. Lange tat ich so, als wüsste ich von nichts, aber als ich sie vor drei Jahren unten an der Treppe fand, erzählte sie mir endlich, dass es nicht mehr gut werden würde. Sie war zu schwach gewesen, hinauf in ihr Schlafzimmer zu gehen, und wollte mich nicht rufen. Also saß sie dort unten im Flur an der Treppe. Ich bin sicher, wenn ich sie nicht gefunden hätte, dann hätte sie mir auch weiterhin vorgespielt, dass alles in Ordnung sei. Ich wäre zur Schule gegangen und sie hätte sich abgemüht, die Stufen hinauf zu kommen.
Ich knie auf dem Fußboden und schaue noch immer auf die Couch und den Tisch. Eine Blumenvase steht darauf, aber keine Blumen sind darin zu finden. Ich wollte eigentlich die Unterseite der Fenster abwischen, doch meine Augen fixieren noch immer die gemütliche Ecke, in der wir damals alle saßen. Ich glaube sogar, mich an das Lachen erinnern zu können, wenn ich ein Spiel gewann, und an die Stimmung, die zwischen uns herrschte. Auch wenn die Fenster und Balkontür viel Licht in das Wohnzimmer lassen, so wird es auch hier immer dunkler. Aber ich mag das so, wenn es dunkel ist und ich nur meine Gedanken habe. Für mich bin. Das Licht würde hier nur stören. Es würde mir deutlich zeigen, dass niemand dort auf der Couch sitzt. Aber jetzt, wo es beinahe so dunkel ist, dass man nur noch die Umrisse erkennen kann und ein wenig Schattenspiel, da kann ich glauben, dass dort jemand sitzt und ich nicht alleine bin.
Es wird immer dunkler, sodass selbst die Schatten von der abnehmenden Lichtquelle verschluckt werden. Das Wasser in meinem Putzeimer ist bereits kalt geworden und nur der Mond, der sich ab und an durch die Wolken mogelt, wirft ein paar Lichtstrahlen auf den Schnee. Ich sitze noch immer direkt neben der Balkontür und erkenne meine Gestalt wie in einem Spiegel. Doch ich wage es nicht, mir in die Augen zu sehen, es würde mich ja doch nur deprimieren. Ich rücke näher an die Glasscheibe heran und spüre, wie etwas Kälte hindurchkommt, doch so kann ich auch hinaussehen, auf den Schnee. Er ist ganz frisch vom Himmel gefallen und wirkt wie Puderzucker auf einem leckeren Kuchen. Er funkelt beinahe, als wären viele Diamanten im Schnee versteckt oder die Sterne selbst zu Boden gefallen.
Doch je länger ich dieses Szenario genieße und die Bäume betrachte, die aus dem Schnee herausragen, desto seltsamer erscheint mir diese Situation. Ich verenge meine Augen und berühre nun mit der Nasenspitze die Fensterscheibe. Was … ist das?
Hinter einem der Bäume ist doch etwas? Ich kann aber aufgrund der Dunkelheit kaum etwas erkennen. Es ist kleiner als ein Mensch und breiter … ein Hase ist viel zu klein, dafür liegt der Schnee auch viel zu hoch. Ein Reh? Ein Hirsch vielleicht? Aber so nah an Pemberton um diese Uhrzeit? Bären? Nein, die halten Winterschlaf. Mit einem Mal aber verschwindet die schwarze Gestalt. Blitzschnell huscht sie zurück in den Wald, nur wenige Sekunden, nachdem ich sie entdeckt habe. Vielleicht … war es doch ein Reh.
Allerdings bereitet mir nun bereits zum zweiten Mal ein schwarzer Schatten Unbehagen. Ein Mensch jedoch war es nicht, da bin ich mir sicher.
Ich stromere durch das Haus und überprüfe jedes Fenster, jede Tür und jede Heizung, so wie jeden Abend. Doch dieses Mal gewissenhafter, da mir dieser schwarze Schatten nicht aus dem Kopf geht.
Oben in meinem Zimmer angekommen, sehe ich mich um. Eigentlich kenne ich jeden Zentimeter hier, doch heute erscheint mir dieser Raum so kahl und leer. So kalt. So unfreundlich. Ein Mädchenzimmer sollte doch einladend aussehen, mit vielen Fotos oder Postern an der Wand, aber meine Wände sind weiß. Die Möbel waren alt und abgetragen, aber ich habe sie einfach weiß gestrichen, sodass sie diesen Chubby-Stil haben, der momentan so begehrt ist. Auf meinem Schreibtisch und den Sideboards stehen Bilderrahmen, da in meinen Bücherregalen kein Platz mehr ist. Doch die Bilderrahmen sind leer. Ich mochte die weißen Rahmen mit den feinen Verzierungen, habe aber keine Fotos, die ich dort hineintun könnte. Die meiner
Weitere Kostenlose Bücher