Der schwarze Schattenjaeger
okay“, stammle ich. Eigentlich sollte ich jetzt lächeln und schüchtern beiseite sehen, wie das so üblich ist, aber ich stehe ihm vollkommen verkrampft gegenüber und starre ihn an. Wenn man mir jetzt einen Spiegel vor das Gesicht halten würde … womöglich würde ich mich vor meinem eigenen Gesicht erschrecken.
„Nächste Woche ist die letzte Verhandlung, dann haben wir ein Ergebnis. Das heißt, ich werde jetzt zurückfahren, aber nächste Woche bin ich wieder hier. Und ich hoffe, du verzeihst mir meine Frage …“ Es ist das erste Mal, dass ich eine Spur von Nervosität in seinem Gesicht sehe. Würde er mich jetzt etwa ein zweites Mal nach einer Verabredung fragen?
„Hättest du vielleicht Lust, mit mir …“ Ehe er seinen Satz beenden kann, zerreiße ich aus Versehen das Zuckertütchen, deren Zuckerkristalle über den gesamten Tresen fliegen.
„Oh, Mist!“, zische ich entsetzt, verspanne mich aber sofort wieder, da ich nicht hektisch anfangen möchte, hier zu putzen, während Valom auf eine Antwort wartet.
„Ich … äh …“ Mein ganzer Körper zittert und ich fange nun doch an zu putzen.
„Das ist so. Ich bin wirklich wahnsinnig beschäftigt und meine Mom ist … es ist so irre viel zu tun und …“, stammle ich und ärgere mich im nächsten Moment darüber, dass ich schon wieder nach Ausreden suche, anstatt es einfach auf mich zukommen zu lassen. Dabei spielt sich diese Szene in meinem Kopf ganz anders ab. All die Abende, die ich alleine in meinem Zimmer saß und mir genau das hier vorgestellt habe. Wie er mich fragt und ich ja sage und wir beide … huch, jetzt wird mir wirklich warm!
„Es ist alles okay“, sagt Valom ruhig, der mich noch immer anlächelt, als hätte er gerade keine erneute Abfuhr von mir bekommen. Hätte ich einen Jungen gefragt, ob er mit mir ausgehen mag und er hätte mich abgewiesen, ich wäre im Boden versunken. Aber ein zweites Mal? Da wäre ich gestorben! Und er lächelt mich noch immer an, während er aufsteht und seinen Becher Tee an sich nimmt. Dabei kramt er nach einem 5-Dollar-Schein, den er mir reicht.
„Vielen Dank für den Tee. Ich hoffe, wir sehen uns nächste Woche wieder“, sagt er höflich und nickt mir noch einmal zu, während ich vollkommen paralysiert dastehe und ihn anstarre. Nachdem er aus der Tür raus ist, hastet plötzlich Tante Abby zu mir.
„Oh mein Gott, Thalis! Geh ihm nach! Los!“, zischt sie mir direkt ins Ohr und drängt mich von der Theke weg.
„Was?!“ Hat sie mich etwa belauscht?!
„Geh ihm schon nach! Hurtig!“
„Aber … aber“, jammere ich.
„Nichts da, du gehst ihm jetzt nach, los!“ Sie schiebt mich in Richtung Ausgang, sodass mir gar nichts anderes übrig bleibt, als die Stufen hinunterzulaufen und Valom tatsächlich nachzurennen. Jetzt, wo ich schon mal in Bewegung gekommen bin und Valom vor mir sehe, wie er auf die Kutsche zuläuft, die von den anderen Cherokee-Indianern beladen wird, bin ich froh, dass Abby mich dazu gedrängt hat.
„Valom!“, rufe ich und bin selbst erschrocken darüber, wie laut ich gerade seinen Namen ausgesprochen habe.
Valom bleibt stehen und dreht sich fragend zu mir herum, bis er mich erkennt und sofort wieder lächelt. Die Kutsche ist noch weit genug entfernt, sodass ich in Ruhe mit ihm sprechen kann, ohne dass wir belauscht werden.
„Ich wollte dir nur sagen, dass es nicht an dir liegt, sondern an mir. Ich bin das Problem. Nicht du. Wenn ich jemanden gefragt hätte und er hätte mich abblitzen lassen … das wäre so schrecklich, aber du bringst den Mut auf, mich ein zweites Mal zu fragen. Und was mache ich? Glaub mir bitte, es liegt wirklich nicht an dir, ich habe bis jetzt …“ Ich hadere mit mir, sollte ich ihm wirklich sagen, dass ich noch nie ein Date hatte? Kein Date hieß nämlich auch, dass ich noch keinen Kuss bekommen hatte und dass ich auch ansonsten absolut unerfahren war. Ich beiße mir auf meine Unterlippe und weiß nicht, was ich noch sagen soll. Sicher würde er mir jetzt nicht mehr so freundlich gegenübertreten. Beschämt verberge ich mein Gesicht mit beiden Händen. Ich habe alles nur noch schlimmer gemacht und ihn sicherlich zutiefst verletzt und verärgert!
„Es ist alles in Ordnung, Thalis, hey … Sieh mich doch bitte an“, bittet er mich. Ich wage es kaum, meine Augen zu öffnen, und brauche eine Weile, bis ich ihn vorsichtig anblinzele. Tatsächlich. Er sieht mich noch immer mit einem solch verständnisvollen Blick an, dass mir gleich wieder ganz
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