Der schwarze Schattenjaeger
„Er hat mich ja nicht angegriffen“, antworte ich ihr ernst und lege das Buch beiseite.
„Er ist mir nur nachgelaufen. Da war irgendetwas im Wald. Etwas Größeres und Gefährlicheres, was dem Wolf Angst gemacht hat. Wenn er mich hätte töten wollen, dann wäre ich jetzt nicht hier. Ich glaube, er wollte mich warnen, mich beschützen.“
„Wir reden hier von einem wilden Tier!“ So habe ich Tante Abby noch nie gesehen. Sie ist vollkommen aufgelöst und läuft aufgeregt hin und her, sieht dabei immer wieder aus dem Fenster.
„Er ist mir nicht bis nach Pemberton gefolgt, es ist alles in Ordnung, ich hatte nur etwas Angst.“ Was ist denn nur los?
„Okay, jetzt beruhigen sich alle wieder. Ich werde gleich mit Logan zu euch reiten und dann untersuchen wir die Spuren. Finden wir den Wolf oder ein anderes Tier, dann werden wir uns darum kümmern. Hattest du denn deine Waffe dabei?“, fragt Onkel Roger ruhig und besonnen.
„Nur das Messer. Ich war heute Morgen etwas durcheinander und … habe die Waffe in der Schachtel liegen lassen.“ Ich senke meinen Blick entschuldigend, bis Onkel Roger seine Hand auf meine Schulter legt.
„Okay. Wenn wir den Wolf nicht finden, wird dich Logan jeden Tag abholen kommen und er bringt dich auch zurück. Wir können sicher etwas an deinen Arbeitszeiten ändern, sodass Logan dich …“
„Ich brauche keinen Geleitschutz, das war doch nur ein Wolf. Ja, ich hatte Panik, weil er groß und pechschwarz wie die Nacht war, aber es reicht doch ein Schuss und er ist tot!“ Das fehlt mir noch, dass Logan die offizielle Erlaubnis bekommen soll, an mir zu kleben wie eine Schmeißfliege.
Abby steht noch immer am Fenster und starrt hinaus. Sie wirkt wesentlich unruhiger als ich.
„Keine Widerrede. Ich gehe jetzt wieder hoch, und wenn ich fertig für die Arbeit bin, reiten wir sofort zu euch und untersuchen die Spuren. Wenn wir etwas gefunden haben, sagen wir Bescheid“, erklärt Roger und geht zu Abby.
„Es ist ihr ja nichts passiert, beruhige dich bitte.“ Er küsst Abbys Wange, die sich daraufhin wirklich etwas entspannt und nickt.
„Ich fange besser an zu backen, das beruhigt mich“, flüstert sie. Irgendwie missfällt mir diese Situation. Gut, Abby macht sich Sorgen, aber sie verhält sich so seltsam. Was verheimlicht sie mir noch, wenn sie Mom schon verraten hat, dass ich mich mit Valom getroffen habe? Und wann hat sie ihr das überhaupt sagen können? Ich war doch immer dabei, wenn sie bei uns war, und Mom konnte weder das Haus verlassen noch ans Telefon gehen. Und Sophie? Nein, die weiß nichts davon. Doch bevor ich Abby mit Fragen löchere, greife ich mir das Buch der alten Legenden und setze mich damit auf die Bank, um es in Ruhe studieren zu können.
Die Legende der Bären
Jahrhunderte vergingen und die Bären und Indianer pflegten noch immer ein enges Verhältnis. Sie respektierten sich und verneigten sich bei jeder Begegnung. Niemand wagte es, die Bären zu töten oder ihnen den Lebensraum zu stehlen. Die Bären wussten das und wagten es ebenso nicht, die Indianer anzugreifen. Und doch gab es dieses rote Band, das sie miteinander auf Ewig verbinden würde. Nur ein Krieger aus jeder Generation sollte es fortan vollbringen, sich in die Gestalt des Bären verwandeln zu können, um das Dorf zu beschützen und die Legende zu erfüllen.
Auf der nächsten Seite beginnt die Legende der Wölfe, ebenso kurz gefasst wie die Legende der Bären zuvor.
Die Legende der Wölfe
Anders als die Bären, waren die Wölfe nicht friedlich. Sie verachteten den Menschen und legten ihre Fähigkeit nie ab, sich dennoch in ihn verwandeln zu können. Das Rudel bestand aus vielen Wölfen, die keine Familie darstellen, wie die der Bären. Es waren Einzelkämpfer, die nur zusammenhielten, weil sie alleine verloren wären. Sie jagten bei Nacht und lauerten im Schutze der Dunkelheit ihren Opfern auf. Anders als normale Wölfe, waren die, deren Vorfahren verflucht wurden, keine normalen Jäger. Sie täuschten ihre Beute, lockten sie in den Wald, um sie dort zu töten. Sie fraßen die Menschen nicht. Es ging ihnen um den Jagdtrieb und das Töten an sich. Sie hatten nur einen Feind: die Bären.
Irgendwie missfällt mir der Text. Hier stimmt doch etwas nicht. Ich gehe mit dem Buch zu einer Stehlampe, um mir die Seiten genauer anzusehen. Vorsichtig blättere ich in dem Buch und ich glaube … nein, das sind andere Blätter! Das Papier, auf denen die Legenden niedergeschrieben sind, ist
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