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Der schwarze Schleier

Der schwarze Schleier

Titel: Der schwarze Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Publikum ist, dass sie mich aus der Gesellschaft fernhält. Das bedeutet einem minderen Wesen wie dem Indianer nichts, der ist nicht für die Gesellschaft geschaffen. Das bedeutet einem getüpfelten Säugling nichts, der ist nicht für die Gesellschaft geschaffen. Ich schon.«
    Niemand konnte herausfinden, was Chops mit seinem Geld machte. Er bekam ein gutes Gehalt, jeden Samstag pünktlich auf die Trommel gezählt, außerdem Essen nach Herzenslust – und er aß wie ein Scheunendrescher – aber das tun alle Zwerge. Die Untertasse brachte ihm ein zusätzliches kleines Einkommen, so viele Halfpenny-Stücke, dass er sie die Woche über, in ein Sacktuch geknotet, mit sich herumtrug. Und doch hatte er nie Geld. Und es konnte nicht die Fette Dame aus Norfolk sein, wie mal vermutet wurde; denn es ist doch nur billig, dass man, wenn man eine solche Feindseligkeit gegen einen Indianer verspürt, die einen dazu bringt, ihm mit den Zähnen ins Gesicht zu knirschen, und die einen kaum davon abhält, ihn hörbar niederzuzischen,wenn er seinen Kriegstanz aufführt – dann ist es doch nur billig, dass man unter diesen Umständen sich nicht selbst beraubt, um genau diesem Indianer ein Leben in Saus und Braus zu ermöglichen.
    Völlig unerwartet wurde eines Tages beim Pferderennen von Egham das Geheimnis gelüftet. Das Publikum ließ sich damals lange bitten, und Chops läutete sein Glöckchen aus dem Wohnzimmerfenster und knurrte mir über die Schulter hinweg zu, während er kniete und seine Beine zur Hintertür herausragten – denn er konnte sich nicht in sein kleines Haus quetschen, ohne sich niederzuknien, und die Unterkunft hatte auch keinen Raum für seine Beine –, also er knurrte: »Da hast du mal ein prächtiges Publikum! Warum zum Teufel kommen sie nicht herbeigestürzt?«, als ein Mann aus der Menge aufspringt und eine Brieftaube hochhält und ausruft: »Wenn hier jemand ist, der ein Los hat, die Lotterie ist gerade gezogen worden, und die Nummer für den großen Preis ist drei sieben zweiundvierzig!« Ich war höllisch wütend auf den Mann, weil er die Aufmerksamkeit des Publikums abgelenkt hatte – denn das Publikum wendet sich ja jederzeit ab, um irgendetwas anderes anzuschauen als das, was man ihm zeigen will; und wenn Sie das anzweifeln, dann rufen Sie es für irgendeinen Zweck auf der Welt zusammen und schicken nur zwei Leute zu spät rein, und dann schaun Sie mal, ob sich nicht die gesamte Gesellschaft weit mehr dafür interessiert, mit besonderer Aufmerksamkeit diese beiden anzusehen, als für Sie – also, ich sage, ich war nicht gerade erfreut über den Mann, dass er so laut gerufen hatte, und habe ihn in Gedanken nicht eben gesegnet, sehe ich da nicht Chops’ kleine Glocke aus dem Fenster geradewegs auf eine alte Dame zufliegen, und steht er nicht auf und stößt die Kiste um und gibt damit das ganze Geheimnis preis und packt mich bei den Wadenund sagt zu mir: »Trag mich in den Wagen und schütte mir einen Eimer Wasser über den Kopf, sonst bin ich ein toter Mann, denn ich habe mein Vermögen bekommen!«
    Zwölftausend und ein paar Hundert Pfund, das war Chops’ Gewinn. Er hatte ein halbes Los für den Gewinn von fünfundzwanzigtausend gekauft, und es war gezogen worden. Als Erstes benutzte er sein Vermögen zu dem Angebot, einen Kampf gegen den wilden Indianer auszufechten, mit fünfhundert Pfund Einsatz auf beiden Seiten, er mit einer vergifteten Stopfnadel bewaffnet, der Indianer mit einem Knüppel; aber da den Indianer für diese Summe niemand unterstützen wollte, wurde nichts weiter daraus.
    Nachdem er eine Woche lang völlig von Sinnen gewesen war – in einem Seelenzustand, in dem er, wenn ich ihn auch nur zwei Minuten auf der Drehorgel hätte sitzen lassen, sicherlich geplatzt wäre – aber wir hielten ihn von der Orgel fern –, erholte sich Mr. Chops wieder und benahm sich gegenüber jedermann sehr freizügig und wunderbar. Er ließ dann nach einem jungen Mann schicken, den er kannte, und der war eine sehr vornehme Erscheinung und war Täuscher an einer Glücksspielbude (sehr achtbar aufgewachsen, da sein Vater eine herausragende Erscheinung in der Pferdebranche war, aber in einer geschäftlichen Krise Pech gehabt hatte, weil er einen alten Grauen gelbbraun angestrichen und mit Gewinn als Rassepferd mit Stammbaum verkauft hatte), und Mr. Chops sagte zu dem Täuscher, der behauptete, sein Name sei Normandy, was natürlich nicht stimmte: »Normandy, ich gehe in die Gesellschaft. Gehst du

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