Der schwarze Schleier
habe, obwohl ich zuvor angemerkt habe, dass eine Kellnerin nicht verheiratet sein dürfe. Ich möchte die geneigten Leser bei allem Respekt darauf hinweisen, dass Mrs. Pratchett keine Kellnerin, sondern ein Zimmermädchen war. Nun, ein Zimmermädchen darf heiraten; und wenn es sich gar um die Hausdame handelt, dann ist sie gewöhnlich auch verheiratet oder behauptet es zumindest. Es kommt aufs Gleiche heraus, als würde man sagen: Es ist eben so. (Notabene: Mr. Pratchett ist in Australien, und seine Adresse dort lautet »Im Busch«.)
Nachdem ich Mrs. Pratchett so weit vom hohen Ross geholt hatte, wie es zur künftigen Zufriedenheit aller beteiligten Parteien nötig war, bat ich sie, sich genauer zu erklären. »Zum Beispiel«, sagte ich, um sie ein wenig zu ermutigen, »wer ist denn dieser Irgendwer?«
»Ich schwöre Ihnen bei allem, was mir heilig ist, Mr. Christopher«, antwortete Mrs. Pratchett, »dass ich nicht den leisesten Schimmer habe.«
Hätte sie nicht ihre Haubenbänder auf eine gewisse Art zurechtgezupft, so hätte ich an dieser Aussage meine Zweifel gehabt; aber diese Geste hatte etwas so Bestimmtes, dass sie einer eidesstattlichen Erklärung beinahe gleichzusetzen war.
»Dann haben Sie ihn nie gesehen?«, hakte ich nach.
»Noch auch«, bekräftigte Mrs. Pratchett, schloss die Augen und druckste, als hätte sie gerade eine ungewöhnlich große Pille zu schlucken – was ihrem Leugnen eine bemerkenswerte Betonung verlieh –, »noch auch sonst ein Bediensteter in diesem Hause. In den letzten fünf Jahren sind alle ausgetauscht worden, Mr. Christopher, und dieser Irgendwer hat sein Gepäck vor dieser Zeit hier zurückgelassen.«
Eine Nachfrage bei Miss Martin ergab (in der Sprache des Barden vom Avon) »Beweis, so stark« 4 . Es hatte sich also wirklich und wahrhaftig so zugetragen. Miss Martin ist die junge Dame an der Bar, die unsere Rechnungen schreibt; und obwohl sie hochmütiger ist, als ich mir in Anbetracht ihrer Position wünschen würde, benimmt sie sich stets vollkommen angemessen.
Weitere Nachforschungen führten zu der Entdeckung, dass es zu diesem Gepäck auch noch eine offene Rechnung in der Höhe von zwei Pfund sechzehn Shilling und Sixpence gab. Das Gepäck hatte nun über sechs Jahre unter dem Bettgestell in Nummer 24B gelegen. Das ist ein Himmelbett mit einer Menge alter Vorhänge und Schabracken und hat, wie ich einmal sagte, wahrscheinlich mehr als nur die 24 Bs gesehen, was meinem damaligen Zuhörer ein herzliches Lachen entlockte.
Ich weiß nicht, warum – doch wann wissen wir das schon? –, aber dieses Gepäck beschäftigte mich sehr. Ich begann über diesen Irgendwer nachzudenken und darüber, was er inzwischen erlebt und gemacht hatte. Ich konnte mir nicht recht vorstellen, warum er so viel Gepäck gegen eine so kleine Rechnung hier hinterlassen hatte. Denn ich hatte innerhalb von ein, zwei Tagen das Gepäck in Augenschein genommen und hin und her gedreht und gewendet, und es waren die folgenden Gegenstände: ein schwarzer Handkoffer, eine schwarze Tasche, ein Reiseschreibpult, ein Necessaire, ein in Packpapier eingeschlagenes Paket, eine Hutschachtel und ein an einen Wanderstab geschnallter Regenschirm. Es war alles sehr staubig und mit Flaum bedeckt.Ich ließ unseren Träger kommen, der unter das Bett kriechen und es hervorholen sollte; und obwohl er sich gewöhnlich im Staub suhlt – er bewegt sich von morgens bis abends darin und trägt eigens zu diesem Zwecke eine eng anliegende Weste mit Ärmeln aus schwarzem Wollköper –, musste er immer wieder niesen, und sein Hals war so gereizt, dass er mit einem Glas Allsopp’s 5 vom Fass gekühlt werden musste.
Das Gepäck hat mich so sehr mit Beschlag belegt, dass ich es, anstatt es wieder zurückzubringen, nachdem es ordentlich abgestaubt und mit einem feuchten Lappen abgewischt war – zuvor war es so sehr mit Federn bedeckt gewesen, dass man hätte meinen können, es sei im Begriff, sich in Geflügel zu verwandeln und nach und nach Eier zu legen –, also, anstatt es wieder zurückzubringen, ließ ich es in eines meiner Zimmer im Untergeschoss tragen. Dort starrte ich es von Zeit zu Zeit an, bis es größer und wieder kleiner zu werden und auf mich zuzukommen und sich wieder von mir zurückzuziehen schien und alle möglichen Anstalten machte, nicht unähnlich denen, die einem im trunkenen Zustand begegnen.
Nachdem dies einige Wochen gewährt hatte – Monate, könnte ich ohne Übertreibung sagen –, überlegte ich
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