Der schwarze Schleier
und zu ihnen gesagt: »Mein Name ist Blaubart. Ich mache das Gepäck von Irgendwem jetzt ganz allein in meiner geheimen Kammer auf, und kein einziges weibliches Auge wird je seinen Inhalt zu sehen bekommen!«
Ob ich es für angemessen hielt, fest zu diesem Vorsatz zu stehen, hat nichts zu sagen, genauso wenig, ob wirklich nie ein weibliches Auge zugegen war, und wenn doch, wie viele es waren, als das Gepäck schließlich geöffnet wurde. Hier geht es um das Gepäck von Irgendwem und nicht um irgendwelche Augen oder auch Nasen.
Was ich im Zusammenhang mit dem Gepäck immer noch am häufigsten vor mir sehe, ist die außergewöhnliche Menge von Papierblättern, und alle beschrieben! Und nicht unser Papier – das Papier, das auf der Rechnung auftaucht, denn unser Papier kennen wir –, also muss der Mann ständig und schon immer und überall gekritzelt haben! Und das, was er verfasst hatte, hatte er überall und in jedem Teil seines Gepäcks zusammengeknüllt und aufbewahrt. Es fand sich Geschriebenes in seinem Necessaire, Geschriebenes in seinen Stiefeln, Geschriebenes mit seinem Rasierzeug vermischt, Geschriebenes in seiner Hutschachtel, Geschriebenes sogar zwischen das Fischbeingestänge seines Regenschirms gefaltet.
Seine Kleidung – was ich davon vorfand – war nicht schlecht. Sein Necessaire war schäbig – keine Spur von einem silbernen Stopfen, offene Flakons mit gar nichts drin, wie leere kleine Hundehütten, und ein sehr findiges Zahnpulver, das sich in der irrigen Meinung, alle Ritzen und Spalten seien Lücken zwischen Zähnen, überall verstreut hatte. Der Kleidung habe ich mich ziemlich gut entledigt, bei einem Trödler unweit von St. Clement’s Danes on The Strand, bei dem anscheinend die Offiziere aus der Armee meistens ihre Uniformen versetzen, wenn sie die Ehrenschulden drücken, zumindest nach den Uniformröcken und Epauletten zu urteilen, die, mit dem Rücken zur Straße, das Fenster zieren. Derselbe Mann kaufte auch als komplette Partie den Handkoffer, die Tasche, das Reiseschreibpult,das Necessaire, die Hutschachtel, den Regenschirm, den Riemen und den Wanderstab. Als ich anmerkte, eigentlich hätte ich gedacht, diese Artikel wären nicht ganz seine Sache, lispelte er: »Das ist die Großmutter eines Mannes auch nicht, Mr. Christopher; aber wenn jemand seine Großmutter herbrächte und sie mir um eine Kleinigkeit billiger anböte, als ich mit einigem Glück für sie kriegen kann, sobald ich sie geschrubbt und ausstaffiert habe – dann kaufte ich sie!«
Diese Geschäfte brachten mir meine ursprüngliche Investition wieder ein, mehr als das, es blieb mir sogar ein ordentlicher Gewinn. Nun war nur noch das Geschriebene da, und das möchte ich der aufrichtigen Aufmerksamkeit des geneigten Lesers ganz besonders empfehlen.
Ich möchte dies aus dem folgenden Grund ohne weitere Verzögerungen tun. Das heißt nämlich beziehungsweise, das bedeutet Folgendes: Ehe ich die geistigen Qualen erläutere, denen ich infolge dieses Geschriebenen anheimfiel, und ehe ich auf diese erschütternde Geschichte eine Erzählung über die wunderbare und eindrucksvolle Katastrophe folgen lasse, die von so spannender Natur und in jeder Hinsicht so unerwartet war, dass sie dem Ganzen die Krone aufsetzte und den Kelch des Unerwarteten zum Überfließen brachte, soll das Geschriebene selbst für alle zum Lesen zur Schau gestellt werden. Deswegen sollen die Schriften als Nächstes kommen. Noch ein Wort, um sie vorzustellen, dann lege ich meine Feder (ich hoffe: meine bescheidene Feder) nieder, bis ich sie schließlich wieder aufnehme, um in einer düsteren Fortsetzung einen Geist zu schildern, den etwas quält.
Dieser Irgendwer war ein unordentlicher Schreiber und hatte eine scheußliche Handschrift. Die Tinte war ihm einerlei, und er verteilte sie großzügig auf jedem noch sounwürdigen Gegenstand – auf seinen Kleidern, seinem Schreibpult, seinem Hut, dem Griff seiner Zahnbürste, seinem Regenschirm.
Es fand sich Tinte in reichlichen Mengen auf dem Teppich der Kaffeestube beim Tisch Nummer vier, und zwei Kleckse waren auch auf seiner ruhelosen Bettstatt zu sehen. Ein kurzer Blick auf das Dokument, das ich hier in Gänze wiedergegeben habe, wird zeigen, dass er am Morgen des dritten Februar 1856 seine, sage und schreibe, fünfte Feder mit Papier erworben hat. Welchem beklagenswerten Akt ungezügelter Schreibwut er die von der Bar erworbenen Materialien auch geopfert hat, so besteht doch kein Zweifel, dass die
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