Der schwarze Schleier
über das hölzerne Pferd, klammerten sich an fliegende Seile, hingen kopfüber zwischen den Stangen des Barrens und katapultierten sich von hölzernen Plattformen – Spritzer, Funken, Blitze, wahre Hagel von Soldaten. An jeder Ecke der Stadtmauer, in jeder Wache, an jedem Tor, in jedem Schilderhaus, an jederZugbrücke, in jedem verschilften Graben und auf jedem Binsendeich Soldaten, Soldaten, Soldaten. Und da die Stadt so ziemlich ganz aus Mauer, Wachen, Toren, Schilderhäusern, Zugbrücken, verschilften Gräben und Binsendeichen bestand, bestand die Stadt so ziemlich ganz aus Soldaten.
Was wäre diese verschlafene Stadt ohne die Soldaten gewesen, wenn man bedachte, dass sie sogar mit Soldaten derart verschlafen hatte, dass ihre Echos heiser waren, ihre zur Verteidigung gedachten Gitter und Schlösser und Riegel und Ketten alle rostig waren und das Wasser in ihren Gräben abgestanden! Seit den Tagen, als Vauban 12 sie in verwirrendem Ausmaß so konstruierte, dass man sie nur anschauen musste und es einem schien, als bekäme man sie über den Kopf geschlagen, weil man als Fremder unter dem Schock dieser unbegreiflichen Bauart benommen röchelte – seit den Tagen, als Vauban sie als ausdrückliche Verkörperung jedes Substantivs und Adjektivs in der Kunst des militärischen Ingenieurwesens baute und einen nicht nur in die Festung hineinführte und wieder aus ihr herausführte, dann nach rechts, nach links, in die Gegenrichtung, hier drunterdurch, da obendrüber, im Dunklen, im Schmutz, durch Torbögen, Bögen, überdachte Wege, über trockene Wege, nasse Wege, Gräben, unter Fallgittern hindurch, über Zugbrücken und Schleusen hinweg, an gedrungenen Türmen, durchbrochenen Mauern und schwerem Geschütz vorüber, als er dann aber auch noch mit den Befestigungen einen kühnen Sprung unter das benachbarte Land machte und erst drei oder vier Meilen entfernt wieder an die Oberfläche kam und dort unerklärliche Wälle und Geschützstellungen zwischen den ruhigen Beeten mit ihremChicorée und ihrer Roten Bete hochsprengte – seit jenen Tagen hatte die Stadt tief und fest geschlafen, und Staub und Rost und Moder hatten sich über ihre schlummernden Arsenale und Magazine herabgesenkt, und das Gras war auf ihren stillen Straßen gewachsen.
Nur an Markttagen sprang ihr Großer Platz plötzlich aus dem Bett. An Markttagen schlug ein freundlicher Magier mit seinem Zauberstab auf die Steine des Großen Platzes, und sofort sprossen dort die lebhaftesten Buden und Stände empor, und es war ein Sitzen und Stehen und ein angenehmes Summen vom Schachern und Feilschen von vielen Hunderten von Zungen und eine angenehme, wenn auch seltsame Mischung von Farben – weiße Hauben, blaue Blusen und grünes Gemüse –, und endlich schien der Ritter, auf den das Abenteuer wartete, gekommen zu sein, und alle Leute von Vauban sprangen hellwach auf. Und nun kamen die Menschen über lange, in den Niederungen liegende Alleen, rumpelnd in Eselskarren mit weißen Planen, auf dem Rücken von Eseln und in Dungkarren und Wagen und in Karren und Einspännern und zu Fuß mit Schubkarren und Kiepen und über die Deiche und Gräben und Kanäle in kleinen Landbooten mit spitzem Bug, da kamen die Bauern und Bäuerinnen in Scharen und Schwärmen und brachten Dinge zum Verkauf. Da gab es Stiefel und Schuhe und Zuckerwerk und Kleidung, und hier (im kühlen Schatten des Rathauses) gab es Milch und Sahne und Butter und Käse, und hier gab es Obst und Zwiebeln und Karotten und alles, was man für die Suppe brauchte, und hier gab es Geflügel und Blumen und wütend quiekende Schweine, und hier neue Schaufeln, Äxte, Spaten und Hippen für die Arbeit auf dem Bauernhof, und hier riesige Berge von Brot, und hier ungemahlenes Korn in Säcken, und hier Puppen für die Kinder, und hier den Kuchenverkäufer, der seine Warenmit dem Schlagen und Rollen der Trommel ankündigte. Und hört nur! Die Fanfaren der Trompeten erschallten, und auf den Großen Platz rollte die »Tochter eines Arztes«, prächtig herein in ihrer offenen Kutsche, mit vier herrlich gekleideten Dienern dahinter, die Hörner, Trommeln und Zimbeln spielten, selbst mit dicken Goldketten und Ohrringen und einem blaugefiederten Hut geschmückt, mit zwei ungeheuren Schirmen aus künstlichen Rosen vor den Strahlen der bewundernden Sonne geschützt, um (aus purer Menschenfreundlichkeit) jene kleine und angenehme Dosis einer Arznei zu verteilen, die schon so viele Tausende geheilt hat! Zahnschmerzen,
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