Der schwarze Schleier
vernagelt hatte. Gleichermaßen vertiefte er viele Wochen lang seine Bekanntschaft mit dem Korporal und Bebelle. Das heißt, er packte Bebelle beim Kinn und den Korporal bei der Hand und bot Bebelle Sous und dem Korporal Zigarren an und ging sogar so weit, dass er mit dem Korporal die Pfeife tauschte und Bebelle küsste. Aber all das machte er mit verlegener Miene und nahm es stets außerordentlich übel, dass Monsieur Mutuel in seinem Flecken Sonnenlicht bemerkte, was er tat. Wann immer das der Fall zu sein schien, knurrte der Engländer in seiner eigenen Sprache: »Da bist du ja wieder, alte Walnussschale! Was geht es
dich
an?«
Mit anderen Worten, es war die Beschäftigung von Monsieur dem Engländer geworden, nach dem Korporal und der kleinen Bebelle Ausschau zu halten und es übelzunehmen, dass der alte Monsieur Mutuel nach
ihm
Ausschau hielt. Eine Beschäftigung, die sich nur änderte, als an einem windigen Abend ein Feuer in der Stadt tobte, bei dem viele Wassereimer von Hand zu Hand gereicht wurden (wobei der Engländer gute Dienste leistete) und viele Trommeln geschlagen wurden – bis plötzlich der Korporal verschwand.
Und danach verschwand plötzlich Bebelle.
Sie war noch einige Tage länger zu sehen gewesen als der Korporal – leider vernachlässigt, was das Waschen und Bürsten anging –, aber sie hatte nicht geantwortet, wennMonsieur der Engländer sie ansprach, und hatte verängstigt geschaut und war weggerannt. Und nun schien es, dass sie für immer fortgelaufen war. Und da lag der Große Platz unter dem Fenster, öd und leer.
In seiner verlegenen und gehemmten Art stellte Monsieur der Engländer niemandem Fragen, schaute aber aus seinen vorderen Fenstern und schaute aus seinen hinteren Fenstern heraus und lungerte auf dem Platz herum und warf einen Blick in den Barbierladen hinein und machte all dies und viel mehr mit Pfeifen und Summen und tat so, als wäre ihm nichts entgangen, bis eines Nachmittags, als Monsieur Mutuels Fleckchen Sonnenlicht im Schatten lag und dieser, laut allen Regeln und Präzedenzfällen, keinerlei Recht hatte, sein rotes Band ins Freie zu tragen, aber, siehe da, trotzdem da war und auf den Engländer zukam und schon zwölf Schritte entfernt die Mütze in der Hand hatte!
Monsieur der Engländer war gerade bis zu seinem üblichen gemurmelten Tadel »Was geht es ihn …?« gelangt, als er sich gerade noch zügelte.
»Ah, es ist so traurig, es ist so traurig! Ach, es ist ein Unglück, es ist so traurig!« So sprach der alte Monsieur Mutuel und schüttelte sein graues Haupt.
»Was geht es … ich meine, ich wollte sagen, was meinen Sie damit, Monsieur Mutuel?«
»Unser Korporal. Ach, unser lieber Korporal!«
»Was ist mit ihm geschehen?«
»Sie haben es nicht gehört?«
»Nein.«
»Beim Feuer. Er war so mutig, so hilfsbereit. Ah, zu mutig, zu hilfsbereit!«
»Soll dich doch der Teufel holen!«, fuhr der Engländer ungeduldig dazwischen. »Ich bitte um Verzeihung – ichmeine mich – ich bin es nicht gewöhnt, Französisch zu sprechen – sprechen Sie weiter, bitte?«
»Und ein herabstürzender Balken …«
»Großer Gott!«, rief der Engländer aus. »Ist ein gemeiner Soldat ums Leben gekommen?«
»Nein, ein Korporal, derselbe Korporal, unser lieber Korporal. Beliebt bei all seinen Kameraden. Das Begräbnis war rührend – ergreifend. Monsieur der Engländer, Ihre Augen sind ja voller Tränen.«
»Was geht es …«
»Monsieur der Engländer, ich ehre diese Gefühle. Ich grüße Sie mit höchstem Respekt. Ich werde mich Ihnen und Ihrem edlen Herzen nicht weiter aufdrängen.«
Monsieur Mutuel, in jedem letzten Faden seines nachgedunkelten Leinens ein Gentleman, unter dessen welken Händen jede Viertelunze schlechten Schnupftabaks in der jämmerlichen kleinen Blechdose zum Vermögen eines Gentleman wurde – Monsieur Mutuel ging weiter, die Mütze noch in der Hand.
»Ich hätte es mir nicht träumen lassen«, sagte der Engländer, nachdem er mehrere Minuten gegangen war und sich mehr als einmal die Nase geschnäuzt hatte, »als ich mich auf dem Friedhof umgeschaut habe … ich gehe hin.«
Er ging geradewegs dorthin, und als er durch das Tor getreten war, hielt er inne und überlegte, ob er sich beim Pförtnerhäuschen nach dem Weg zum Grab erkundigen sollte. Aber er war weniger denn je in der Stimmung, Fragen zu stellen und überlegte: Ich werde etwas auf dem Grab sehen, an dem ich es erkenne.
Auf der Suche nach der letzten Ruhestätte des Korporals schritt
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