Der schwarze Schleier
undunterzeichnete das Formular schließlich mit sehr schöner Handschrift. Er nahm an, damit wäre die Angelegenheit nun abgeschlossen. Ich sagte ihm, er würde wahrscheinlich nie wieder etwas damit zu tun bekommen. Sollte er die Papiere gleich hierlassen? Wenn es recht wäre. Aber gern. Guten Morgen.
Ich hatte am heutigen Tage vor ihm schon einen anderen Besucher gehabt; allerdings nicht im Büro, sondern bei mir zu Hause. Dieser Besucher war an mein Bett getreten, als der Tag noch nicht gedämmert hatte, und außer meinem treuen, verschwiegenen Diener hatte ihn niemand gesehen.
Ein zweites Referenz-Formular (denn wir verlangten stets zwei Referenzen) wurde nach Norfolk geschickt und kam ordnungsgemäß per Post zurück. Auch hier waren sämtliche Fragen zufriedenstellend beantwortet. Alle Formalitäten waren eingehalten worden; wir nahmen den Antrag an, und die Prämie für ein Jahr wurde eingezahlt.
IV.
Sechs oder sieben Monate lang sah ich Mr. Slinkton nicht wieder. Er sprach einmal bei mir zu Hause vor, aber ich war abwesend; er bat mich einmal zum Abendessen im Temple, aber ich hatte eine andere Verabredung. Im März wurde die Versicherung seines Freundes abgeschlossen. Ende September oder Anfang Oktober war ich in Scarborough, um ein wenig Seeluft zu atmen, wo ich ihn am Strand traf. Es war ein warmer Abend, er kam mit dem Hut in der Hand auf mich zu, und da war wieder der schnurgerade Gartenpfad, gegen den ich sofort eine so tiefe Abneigung gefasst hatte, vollkommen ordentlich und genau vor meiner Nase.
Er war nicht allein, sondern führte eine junge Dame am Arm.
Sie war in Trauer, und ich betrachtete sie mit großem Interesse. Sie schien außerordentlich zart und zerbrechlich, und ihr Gesicht war bemerkenswert blass und melancholisch, aber sie war sehr hübsch. Er stellte sie mir als seine Nichte, Miss Niner, vor.
»Sie gehen spazieren, Mr. Sampson? Ist es möglich, dass Sie der Muße pflegen?«
Ja, es war möglich, und ja, ich ging spazieren.
»Sollen wir ein wenig zusammen umherschlendern?«
»Mit Vergnügen.«
Die junge Dame ging zwischen uns, und wir liefen weiter auf dem kühlen Meeressand in Richtung Filey.
»Hier waren Räder«, bemerkte Mr. Slinkton. »Und jetzt, da ich es genauer betrachte, die Räder eines Handkarrens! Margaret, meine Liebe, das ist sicherlich dein Schatten!«
»Miss Niners Schatten?«, wiederholte ich und blickte zum Sand herunter.
»Nicht
der
Schatten«, warf Mr. Slinkton lachend ein. »Margaret, meine Liebe, erzähle es Mr. Sampson.«
»Wirklich«, sagte die junge Dame und wandte sich mir zu, »da gibt es nichts zu erzählen – außer dass ich immer wieder denselben kränklichen alten Herren sehe, immer und überall, wo ich auch hingehe. Ich habe es meinem Onkel gegenüber erwähnt, und er nennt den Herren meinen Schatten.«
»Lebt er hier in Scarborough?«, fragte ich.
»Er hält sich hier auf.«
»Leben Sie in Scarborough?«
»Nein, ich bin hier nur zu Besuch. Mein Onkel hat mich bei einer Familie im Ort untergebracht, wegen meiner Gesundheit.«
»Und Ihr Schatten?«, erkundigte ich mich lächelnd.
»Mein Schatten«, antwortete sie, ebenfalls lächelnd, »ist – wie ich – nicht sonderlich robust, fürchte ich, denn manchmal verliere ich meinen Schatten, wie er manchmal mich verliert. Wir scheinen beide ab und zu das Haus nicht verlassen zu können. Ich habe jetzt meinen Schatten schon tagelang nicht mehr gesehen, aber es geschieht seltsamerweise gelegentlich, dass dieser Herr viele Tage lang überall da auftaucht, wo ich hingehe. Wir haben einander schon an den abgelegensten Ecken dieses Strandes getroffen.«
»Ist er das da?«, fragte ich und deutete vor uns.
Die Räder hatten einen Bogen zum Saum des Wassers gemacht und beim Umdrehen eine große Schleife in den Sand gemalt. Wieder eine Schleife hinter uns schlagend und vollendend, kam ein Handkarren, der von einem Mann gezogen wurde.
»Ja«, sagte Miss Niner, »das ist wirklich mein Schatten, Onkel.«
Als der Karren sich uns näherte und wir uns dem Karren näherten, sah ich darin einen alten Mann sitzen, dessen Kopf auf die Brust gesunken war und der in eine Vielzahl von Decken eingehüllt war. Er wurde von einem sehr ruhigen, aber sehr sportlich aussehenden Mann mit eisengrauem Haar gezogen, der leicht hinkte. Sie waren an uns vorbeigefahren, als der Karren stehen blieb und der alte Herr den Arm ausstreckte und mich mit Namen anrief. Ich ging zurück und war etwa fünf Minuten von Mr. Slinkton
Weitere Kostenlose Bücher