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Der schwarze Schleier

Der schwarze Schleier

Titel: Der schwarze Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Leiche geschehen – was eigentlich dem Verein Mut machen sollte, es aber keineswegs tat. Des Weiteren sagte der Präsident, er würde die Lage, in der sie sich befänden, ernsthaft überdenken und ihnen in wenigen Tagen seine beste Meinung und guten Rat zur Verfügung stellen. Dies wurde heiß ersehnt, weil er ja recht viel über den Lauf der Welt wusste, da doch sein Vater in Westindien war.
    Nachdem er Tag für Tag heftig nachgedacht und ganze Armeen über seine Schiefertafel hatte marschieren lassen, rief der Präsident unsere Schüler zusammen und stellte die Sache klar. Es meinte, es sei offensichtlich, dass, sobald Old Cheeseman am verabredeten Tag käme, seine erste Rachesein würde, den Verein anzuklagen und sie alle der Reihe nach verprügeln zu lassen. Nachdem er dann voller Freude die Folter seiner Feinde beobachtet und sich an den Schreien ergötzt hätte, die der Schmerz ihnen entlocken würde, würde er aller Wahrscheinlichkeit nach Hochwürden unter dem Vorwand eines Gesprächs in einen abgeschiedenen Raum – sagen wir einmal, in den Salon, in den man die Eltern führte und in dem zwei nie benutzte große Globen standen – locken und ihm dort die verschiedenen Betrügereien und die Unterdrückung zum Vorwurf machen, die er von ihm hatte erleiden müssen. Nach seinen abschließenden Bemerkungen würde er einem Preisringer, der im Flur verborgen stand, ein Zeichen geben, der auftauchen und sich Hochwürden so lange vornehmen würde, bis der das Bewusstsein verlor. Dann würde Old Cheeseman Jane fünf oder zehn Pfund als Geschenk überreichen und die Anstalt in teuflischem Triumph verlassen.
    Der Präsident erklärte, dass er gegen die Teile dieser Vorhaben, die mit dem Salon oder mit Jane zu tun hatten, nichts einzuwenden hätte; aber für den Verein hätte er nur den Rat bereit, tödlichen Widerstand zu leisten. Zu diesem Zwecke empfahl er, sämtliche verfügbaren Pulte mit Steinen zu füllen und dass alle Schüler beim ersten Wort einer Beschwerde diese Steine auf Old Cheeseman schleudern sollten. Dieser kühne Rat verbesserte die Laune des Vereins erheblich und wurde einstimmig angenommen. Auf dem Spielhof wurde ein Pfosten errichtet, der etwa die Größe von Old Cheeseman hatte, und alle unsere Schüler übten daran, bis er über und über mit Dellen übersät war.
    Als der Tag kam und alle an ihren Platz beordert wurden, setzten sich die Schüler bebend hin. Es hatte viele Diskussionen und Debatten gegeben, wie Old Cheeseman kommen würde; aber es herrschte die allgemeine Meinung,er würde in einem von vier Rössern gezogenen Triumphwagen vorfahren, mit zwei livrierten Dienern vorne und dem vermummten Preisringer hinten. Also saßen alle unsere Schüler da und lauschten auf das Geräusch rollender Räder. Aber es waren keine zu hören, denn in Wirklichkeit ging Old Cheeseman zu Fuß und kam völlig ohne Vorankündigung in die Schule. Beinahe so, wie er gewöhnlich gekommen war, nur heute schwarz gekleidet.
    »Meine Herren«, sagte Hochwürden und stellte ihn vor, »unser seit so langer Zeit höchst respektierter Freund und Mitpilger auf den angenehmen Ebenen des Wissens wünscht ein, zwei Worte an euch zu richten. Aufgepasst, meine Herren, alle miteinander!«
    Die Hände aller Schüler stahlen sich in die Pulte, und alle schauten den Präsidenten an. Der Präsident war bereit und zielte mit den Augen bereits auf Old Cheeseman.
    Und was machte Old Cheeseman? Der ging doch tatsächlich zu seinem alten Pult und schaute sich mit einem seltsamen Lächeln um, als hätte er eine Träne im Auge, und begann mit bebender, sanfter Stimme: »Meine lieben Gefährten und alten Freunde!«
    Die Hände aller Schüler tauchten aus den Pulten wieder auf, und der Präsident fing plötzlich zu weinen an.
    »Meine lieben Gefährten und alten Freunde«, sagte Old Cheeseman, »ihr habt alle von meinem Glück gehört. Ich habe so viele Jahre unter diesem Dach verbracht – mein ganzes bisheriges Leben, kann ich sagen –, dass ich hoffe, ihr seid um meinetwillen froh gewesen, davon zu erfahren. Ich könnte es niemals genießen, wenn ich nicht auch eure Glückwünsche dazu bekäme. Wenn wir einander je missverstanden haben, dann bitte ich, meine lieben Jungen, lasst uns vergeben und vergessen. Ihr liegt mir sehr am Herzen, und ich bin sicher, euch geht es umgekehrt genauso.Ich möchte aus vollem, dankbarem Herzen einem jeden von euch die Hand schütteln. Darum bin ich hergekommen, wenn es recht ist, meine lieben

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