Der schwarze Schleier
übernatürliche Voraussicht des ersten Stuart-Königs einen Gegenwind vorhersehen konnte, indem er die Dampfkraft vorausahnte, die aus zwei Richtungen mächtig wirkte.
Was wusste ich damals von Hoghton Towers? Als ich das erste Mal durch das Tor auf den menschenleeren Innenhof blickte und zusammenfuhr, weil ich die zerbröckelnde Statue sah, die mir wie ein Wächtergespenst erschien; als ich mich hinter das Bauernhaus schlich und in die alten Räume gelangte, deren Böden und Decken einfielen, deren Balken und Sparren gefährlich herunterhingen, deren Verputz herabrieselte, während ich hindurchschritt, deren Eichentäfelung längst herausgerissen war, deren Fenster halb zugemauert, halb zerbrochen waren; als ich eine Galerie entdeckte, von der man die alte Küche überblicken konnte, und zwischen den Pfeilern der Balustrade einen soliden alten Tisch und Bänke erspähte und mich fürchtete, dass wer weiß was für halbtote Wesen hereinkommen und sich dort niedersetzen und mich mit was weiß ich für schrecklichen Augen oder leeren Augenhöhlen anschauen würden;als ich überall im Haus überwältigt war von den Ritzen und Spalten, durch die mich der Himmel traurig anstarrte, durch die Vögel hindurchflogen und der Efeu raschelte und wo die Flecken des Winterwetters die morschen Böden verunzierten; als unten am Fuß der dunklen Treppenhöhlen, in die die Stufen herabgesunken waren, grüne Blätter zitterten, Schmetterlinge flatterten und Bienen durch die verfallenen Torbögen summten; als die ganze Ruine von süßen Düften umgeben war, vom Anblick frischen Grüns und sich ständig erneuernden Lebens, von dem ich niemals geträumt hätte – ja, als sich in mir eine so getrübte Wahrnehmung all dieser Dinge entwickelte, wie sie meine finstere Seele begreifen konnte, was wusste ich da über Hoghton Towers?
Ich habe geschrieben, dass mich der Himmel traurig anstarrte. Darin habe ich schon die Antwort vorweggenommen. Ich wusste, dass all diese Dinge mich traurig anschauten; dass sie, nicht ohne Mitleid für mich zu empfinden, zu seufzen oder zu flüstern schienen: »Ach! Der arme selbstsüchtige kleine Teufel!«
Am Boden einer der kleineren eingestürzten Treppenhöhlen waren zwei oder drei Ratten, als ich mich über den Rand beugte und hinunterschaute. Sie rauften da unten um eine Beute, und als sie aufschraken und sich im Dunklen, eng aneinandergeschmiegt, versteckten, dachte ich an mein altes (es war inzwischen schon alt geworden) Leben im Keller.
Wie konnte ich dort zu etwas anderem als diesem selbstsüchtigen kleinen Teufel geworden sein? Wie konnte ich keinen Widerwillen gegen mich empfinden, wie ich ihn gegen die Ratten empfand? Ich verkroch mich ängstlich und weinend vor mir selbst (es war das erste Mal, dass ich nicht aus einem rein körperlichen Grund weinte) in derEcke eines der kleineren Räume und versuchte darüber nachzudenken. Einer der Pflüger vom Bauernhof kam just in diesem Augenblick in Sicht, und es schien mir zu helfen, wie er da mit seinen zwei Pferden so friedlich und ruhig das Feld auf und ab schritt.
In der Bauernfamilie gab es ein Mädchen etwa meines Alters, und es saß mir bei den Mahlzeiten an dem schmalen Tisch gegenüber. Bei unserem ersten Abendessen war mir durch den Kopf geschossen, dass es vielleicht das Fieber von mir bekommen könnte. Damals hatte mich der Gedanke nicht beunruhigt. Ich hatte mir nur überlegt, wie das Mädchen unter diesen veränderten Umständen wohl aussehen und ob es daran sterben würde. Aber nun kam mir in den Sinn, dass ich versuchen könnte, zu verhindern, dass es sich mit dem Fieber ansteckte, indem ich mich von ihm fernhielt. Ich wusste, dass ich dann nur zu essen bekommen würde, was ich an Resten zusammensuchen konnte, doch umso selbstloser und unteuflischer würde diese Tat sein, überlegte ich.
Von dieser Stunde an zog ich mich am frühen Morgen in die geheimen Winkel der Burgruine zurück und hielt mich dort versteckt, bis das Mädchen zu Bett gegangen war. Zunächst hörte ich noch, wie sie nach mir riefen, wenn die Mahlzeiten bereit waren, dann geriet mein Entschluss ins Wanken. Aber ich bestärkte ihn wieder, indem ich mich in der Ruine weiter vom Haus entfernte, sodass ich außer Hörweite war. Ich hielt an den trüben Fenstern oft nach dem Mädchen Ausschau, und wenn ich sah, dass es frisch und rosig war, war ich viel glücklicher.
Dadurch, dass ich das Mädchen in meinen Gedanken hielt und so zu einem menschlichen Wesen wurde, nehme
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