Der schwarze Thron - Reiter reiter3
lehnte sich gegen die Mauer und drückte die Wange mit klopfendem Herzen an den kalten Stein.
Das war knapp.
Er schluckte angestrengt und versuchte, seinen Atem zu beruhigen. Als er sich wieder gefasst hatte, kletterte er weiter nach oben und achtete dabei nicht auf die Schmerzen in seinem rechten Arm und der Schulter. Er ließ nicht ab, bis seine Zehen sicher auf einem Vorsprung standen, und da er überzeugt war, sich jetzt im gewünschten Stockwerk zu befinden, bewegte er sich nun waagerecht und zählte dabei die Fenster.
Diese drei sind für die Zimmer von Lord und Lady Coutre, dachte er, als er an ihnen vorbeikam. Zwei weitere für die Schwestern.
Als er an ihr Fenster kam, hielt er inne und setzte sich auf das Sims, das flach und breit genug war, um ihn zu tragen. Drinnen brannte kein Licht, aber ein Strahl von Mondlicht beleuchtete einen Ausschnitt des Bodens und eine Ecke des Betts.
Wie einfach würde es sein, durchs Fenster zu steigen, zum Bett zu schleichen und ihr einen Kuss auf die Stirn zu drücken. Er hatte es schon Hunderte von Malen getan, war in die Schlafzimmer hochgeborener Damen geschlüpft – jener, die so viel Wohlstand und glitzernde Schmuckstücke hatten, dass sie einen einzelnen Ring, eine Brosche oder einen Halsschmuck nicht vermissen würden. Einige erwarteten seinen Besuch in ihrem Schlafzimmer und ließen ausgewählte Gegenstände für ihn auf dem Nachttisch liegen, besonders, wenn sie hofften, dass er ihnen einen gewissen »Gefallen« erwies. Manchmal tat er das, und manchmal entschied er sich, es nicht zu tun.
Er hätte nur zu gern das Schlafzimmer der Dame gefunden, die im Museum gegen ihn gekämpft hatte. Der Gedanke daran, durch ihr Fenster zu steigen, rief alle Arten köstlicher Empfindungen hervor. Er hatte in Adelskreisen diskrete Ermittlungen nach »Lady Karigan« angestellt, aber niemand
schien sie zu kennen. Eine Schande, denn er hätte sie gern noch mehr gegen sich aufgebracht und gesehen, wie sie rot anlief. Er würde weiter nach ihr fragen. Wer konnte schon sagen, ob er nicht doch ganz zufällig eines Nachts ihr Schlafzimmer finden würde. Der Gedanke erfreute ihn.
Er musste sich häufig daran erinnern, dass er nicht nur zum Vergnügen arbeitete, sondern um zu verhindern, dass sein bankrotter Landsitz vollkommen auseinandergenommen wurde und er ein landloser Bettler ohne Titel war. Sein Großvater, die erste Rabenmaske, hatte das Gleiche getan: Er war zum Dieb geworden, um ihre Ländereien zu erhalten. Aber dann hatte sein Vater durch katastrophal schlechte Verwaltung, Trunk- und Spielsucht beinahe alles verloren, was sein Großvater gewonnen hatte.
Also hatte Xandis Pierce Amberhill angefangen, wo sein Großvater aufgehört hatte, sich ausgebildet, wie dieser sich ausgebildet hatte, gelernt, wie man sich unbemerkt bewegte, und jene bestohlen, die es sich leisten konnten, ein Schmuckstück weniger zu haben. Langsam arbeitete er daran, den Wohlstand der Familie zu erneuern. Sein Traum bestand darin, alles Land zurückzuerwerben, das sein Vater verloren hatte, und es könnte durchaus früher als später geschehen, wenn er mit seiner derzeitigen Aufgabe erfolgreich war. Er würde eine beträchtliche Summe dafür erhalten.
Morry missbilligte diesen Auftrag, denn er konnte ihren Mitverschwörer, den Wappenlosen, nicht leiden, und hielt die ganze Sache für ehrlos und zu gefährlich. Riskant, sehr riskant – damit hatte Morry zweifellos recht, der liebe Morry, sein vorsichtiger Kammerdiener, der so viel mehr für ihn war: Ersatzvater, Lehrer und derjenige, der ihn die Kunst der Rabenmaske gelehrt hatte, denn Morry hatte als junger Mann seinem Großvater gedient.
Es war der Diener in Morry, der sich Amberhills Bedürfnis ergab, an diesem Plan Anteil zu haben, dieser Herausforderung, dieser Gelegenheit, den Wohlstand seiner Familie zurückzugewinnen.
Sein Atem überzog das Fenster, als er hineinschaute und nichts entdecken konnte. An diesem Abend war es nicht sein Ziel, ins Schlafzimmer von Lady Estora Coutre zu schlüpfen und ihren Schmuck zu stehlen. Er würde nicht riskieren, sie oder ihre Zofe zu wecken, die wahrscheinlich vor ihrem Bett schlief. Das zu tun könnte die Waffe aufmerksam machen, die auf der anderen Seite der Tür stand, und eine Konfrontation bewirken, die er nicht wünschte und die all seine Pläne ruinieren würde. Er hatte bereits genug riskiert, indem er einfach nur an der Burgwand hinaufgeklettert war, um auf Lady Estoras Fensterbrett zu
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