Der schwarze Thron - Reiter reiter3
Mornhavon dem Schwarzen hatten die Leute keine gute Meinung von ihr. Sie unterschieden nicht zwischen dem, was vom Wesen her neutral oder sogar gut war, und dem, was die Dunkelheit besudelt hatte. Daher fehlen in unserem Archiv wertvolle Informationen, darunter auch alles, was uns helfen könnte, den D’Yer-Wall zu reparieren. Ich fürchte, wir werden es vielleicht niemals wiederfinden.«
»Also könnte das Buch, da wir suchen, nach dem Langen Krieg zerstört worden sein«, spekulierte Karigan.
»Zerstört oder vergessen, und mit einiger Sicherheit wird es sich nicht in einer unserer Sammlungen finden. Aber um diese Sicherheit noch zu verstärken, habe ich unsere Archivare und Kuratoren angewiesen, das zu überprüfen, und sie werden ein paar untätige Gesellen ihres Fachs zusammentreiben und eine ausführliche Suche durchführen.« Er grinste Estral an, die zur Antwort das Gesicht verzog. »Die Suche
wird zweifellos Monate dauern, also solltest du deine anderen Aufträge nicht aufschieben und auf uns warten. Ich werde dem König eine Botschaft schicken, in der ich ihm das mitteile, und sollten wir bei unserer Suche etwas finden, werde ich sofort einen meiner eigenen Boten mit den Neuigkeiten aussenden.«
Damit machte er sich auf, um die Archivare und Kuratoren zu finden, und ließ Estral und Karigan zurück.
Nach längerem Schweigen sagte Estral: »Das bedeutet wohl, dass du bald aufbrechen wirst.«
Karigan nickte. »Unsere Anweisungen lauten, mit den anderen Aufträgen weiterzumachen, wenn das Buch hier nicht gefunden werden kann. Ich denke, wir werden gleich morgen früh aufbrechen.«
»Es fühlt sich an, als wärest du gerade erst gekommen. Ich wünschte, du könntest länger bleiben.«
»Ich auch.«
Als wollte sie diese deprimierenden Nachrichten beiseite schieben, fragte Estral: »Möchtest du eine Führung, wenn du schon einmal hier unten bist?«
»Selbstverständlich«, sagte Karigan, besonders, weil das bedeutete, dass sie mehr Zeit mit ihrer Freundin verbringen konnte.
»Wir haben gerade erst angefangen, alles wieder in Ordnung zu bringen«, erklärte Estral, »nach den Renovierungsarbeiten. Als wir umgezogen sind, sind wir auf ein paar wirkliche Schätze gestoßen, die niemand seit Hunderten von Jahren angesehen hatte – das hat es irgendwie schwer gemacht, sich um die anstehenden Arbeiten zu kümmern. Und es kommen immer wieder neue Sachen herein – neue Lieder und Kompositionen, Dokumente, die wir aus anderen Sammlungen erworben haben, und mehr. Die Archivare haben viel
zu tun. Nach diesem Buch zu suchen gibt ihnen vielleicht die Gelegenheit, das Inventar zu aktualisieren. Dabei muss ich wahrscheinlich helfen. Ich nehme an, das wird ein gutes Projekt für den Winter sein.«
Estral sah bei dieser Aussicht nicht gerade begeistert aus, aber als sie in die Tiefen des Archivs tauchten, beleuchtet nur von der einzelnen Lampe, die sie trug, wurde die Stimme der Spielmanns-Gesellin fröhlicher und ihr Schritt schneller, als sie ihre Freundin auf diverse Dokumente hinwies.
»Diese Kisten enthalten die Korrespondenz sämtlicher Fioris«, sagte sie, »bis zurück zu Gerlrand, obwohl es aus dieser Zeit nur ein paar Stücke gibt.« Dann zeigte sie auf das Regal gegenüber. »Das da sind die Volkslieder von Sacoridien, die in den letzten hundert Jahren aufgezeichnet wurden. Jedes Regal dort führt weitere hundert Jahre zurück. Wenn du mich fragst, ist einiges davon Unsinn.«
Und sie ging weiter an den dunklen Regalen vorbei. Karigan war immer mehr beeindruckt von der Größe des Raums. Vom Eingang aus war es schwierig gewesen, seine Größe einzuschätzen, und sie betrachtete das Archiv nun nicht mehr als einen Kartoffelkeller, sondern als ein Grabmal. Ein Grabmal für alte Dokumente. Jetzt, da sie mehr darüber nachdachte, fühlte sich dieser Raum ganz ähnlich an wie die Grabmale unterhalb der königlichen Burg mit ihrer sauberen Luft, den niedrigen Decken, dem Mangel an Feuchtigkeit und der Fähigkeit zu bewahren , obwohl sich in den Grabmalen sicher etwas ganz anderes befand … der Clan D’Yer musste dort ähnliche Bautechniken wie im Archiv angewandt haben.
Als sie das Ende des Raums erreichten, fühlte sich Karigan, als hätte sie eine lange unterirdische Reise hinter sich. Die Dunkelheit hinter dem Lichtkreis von Estrals Lampe und die Stille ringsumher waren so dicht, dass man sich kaum vorstellen
konnte, wie hell es über der Erde war und es auf dem Campus vor Schülern nur so
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