Der schwarze Thron - Reiter reiter3
und zu heiraten, wen sie wollte.
Das war ein Fehler gewesen. Estora hätte es eigentlich besser
wissen sollen. Niemand entschied sich, Grüner Reiter zu werden, man wurde in den Dienst gerufen . Ein magischer Ruf, wenn sie das richtig verstand. Ein unnachgiebiger, unwiderstehlicher Ruf, der einen um den Verstand bringen konnte, wenn man nicht darauf reagierte. Es war vollkommen egal, was man gerade tat – der Ruf bewirkte, dass man alles stehen und liegen ließ, um dem König als Bote zu dienen. Mit freier Entscheidung hatte das nichts zu tun.
Sie blieb an einer Stelle stehen, wo ein anderer Flur abzweigte, und beschloss, nach draußen zu gehen, den Vögeln zu lauschen und die frische Luft zu atmen. Rasch bog sie in den Korridor ein, der an der Küche vorbei zu einem Dienstboteneingang führte.
Sie zog den Schal fester um sich und begegnete einem Diener, der im Gang stand und gähnte. Er rieb sich die Augen und ging in die Gegenrichtung weiter.
Erfreut, dass er sie nicht einmal bemerkt hatte, ging sie weiter. Es war seltsam, aber je mehr Menschen sich um sie drängten, desto einsamer fühlte sie sich. Der einzige Grund, wieso sie zu ihr kamen, bestand darin, dass sie Königin sein würde, mit aller Macht, die zu diesem Rang gehörte, nicht, weil sie ihnen als Mensch irgendetwas bedeutete. Seit diesem Tag im Garten hatte Karigan sich vollkommen anders verhalten als alle anderen und sie gemieden. Das hatte wehgetan. Die junge Reiterin hatte sich immer in die Gegenrichtung gewandt, wenn sie einander zufällig in einem Flur begegnet waren, und selbst förmliche Einladungen zu einem Tee mit Estora abgelehnt. Karigan war der einzige Mensch, der Estora echte Freundschaft ohne Bedingungen geboten hatte, und sie fehlte ihr jetzt.
Wenn doch nur F’ryan noch leben würde, dann wäre sie nicht so allein. Sie spürte den Verlust so deutlich, als wäre es erst gestern geschehen und nicht schon vor zwei Jahren; und
tief in der Nacht, wenn sie am einsamsten war, weinte sie immer noch um ihn. Weinte um ihre verlorene Liebe, weinte um die Leere in ihrem Herzen. Sie klammerte sich an ihre Erinnerungen an ihn, als wären das die einzigen Dinge, die sie noch verankerten; Erinnerungen an sein Lachen, seine Berührungen und das Leuchten in seinen Augen.
»O F’ryan, du fehlst mir so«, murmelte sie.
Das alles machte es nur noch schmerzlicher, dass Karigan sie mied, denn sie war die Letzte gewesen, die F’ryan lebend gesehen hatte, und sie hatte seinen Platz bei den Grünen Reitern eingenommen. Sie war in gewisser Hinsicht Estoras einzige Verbindung zu F’ryan.
In der Nähe der Küche wurde es langsam geschäftiger. Köche und Bäcker waren schon seit Stunden an der Arbeit, und sie roch leckere Brote und Gebäck. Helles Lampenlicht fiel aus dem Eingang zur Küche, und Köche und Diener waren dort drinnen beschäftigt, klapperten mit Geschirr und unterhielten sich lebhaft. Die Küche war riesig und hatte zahllose Öfen, Herde und Arbeitstische. Eine Burg voller Soldaten, Verwalter, Adliger, Diener und Besucher zu ernähren, war ein gewaltiges Unternehmen, und die Aktivität in der Küche spiegelte das.
Estora lächelte und ging weiter auf den Dienstboteneingang zu, wo sie einen gewissen Grünen Reiter mit vollen Satteltaschen über der Schulter und einer Hand am Türgriff entdeckte.
»Karigan?«
Die junge Frau fuhr erschrocken herum. Panik huschte über ihre Züge, als sie sah, wer sie da angesprochen hatte.
»Guten Morgen, meine Dame«, sagte sie mit einer raschen Verbeugung. »Zwei Reiter warten darauf, dass ich ihnen diese Vorräte bringe, also muss ich …«
»O nein, tu das nicht!« Estora ging auf sie zu und baute sich vor Karigan auf. »Du wirst nicht wieder vor mir wegrennen. «
Karigan öffnete den Mund, als wollte sie etwas sagen, aber Estora kam ihr zuvor. »Ich weiß, dass ich dich in der Vergangenheit verärgert habe, aber ist das wirklich ein Grund, mich vollkommen zu meiden, jedes Mal, wenn wir uns begegnen? Ich werde mich entschuldigen, wenn das hilft. Aber mir aus dem Weg zu gehen ist wirklich nicht gerade eine erwachsene Reaktion.«
Zuerst überzogen diverse Gefühle Karigans Gesicht, aber dann holte sie tief Luft und schien sich zu beruhigen. Das war jedoch nicht die offene, freundliche Miene, an die Estora gewöhnt war, sondern eine verschlossene und starre.
»Man könnte es«, begann sie, »für unangemessen halten, wenn sich eine Gemeine mit der künftigen Königin so vertraut gibt.«
Wo war das
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