Der schwarze Thron - Reiter reiter3
»Besonders nicht in meiner, nehme ich an.«
»Na ja, ich …«
»Keine Sorge«, sagte Trudy. Sie eilte zur Seite des Betts und drehte das Licht der Nachttischlampe herunter. »Ihr seid in einer respektablen Familie aufgewachsen, die Euch liebte. Ihr habt in der Nähe eines Bordells nichts zu suchen.«
Aber ihr Vater schon? Karigan fuhr sich mit der Hand durchs Haar, um ein plötzliches Aufflackern von Zorn zu beschwichtigen. Sie war so schrecklich müde. Die Enthüllung über ihren Vater allein hätte schon genügt, aber dieser Vorfall mit Fergal und sein Nachspiel nahmen ihr alle Energie. Nicht zum ersten Mal wünschte sie sich, Hauptmann Mebstone wäre hier, um die Zügel zu übernehmen und ihre Probleme zu lösen. Sie wünschte sich, sie hätte nie vom Goldenen Ruder gehört und wäre schon gar nicht als Gast hier gelandet. Aber hier war sie, und ohne die Unterstützung des Hauptmanns. Sie konnte sich nur auf sich selbst verlassen. Selbstverständlich wollte sie nicht wirklich, dass der Hauptmann sich in diese Einzelheit des Lebens ihres Vaters einmischte, aber die Vorstellung, der Hauptmann würde Stevic G’ladheon zu diesem Thema die Meinung sagte, ließ sie lächeln.
Trudy zupfte die Kissen auf einem Fenstersitz zurecht, und Meister Welles’ Schnarchen wurde lauter. Sie hatte Karigans Schweigen wohl als Bestätigung ihre Aussage betrachtet,
denn sie fuhr fort: »Ihr habt einen wunderbaren Vater, aber meiner war nicht so freundlich.«
»Ihr kennt meinen Vater?«
»Wir kennen ihn alle.«
Karigan nahm an, dass Trudy nicht absichtlich grausam war, aber diese schlichten Worte waren wie ein Messer, das ihr in die Eingeweide gestoßen wurde. Selbstverständlich kannte ihr Vater alle Damen hier.
»Wir kennen ihn nicht alle auf die Weise, an die Ihr denkt, aber er ist trotzdem sehr nett zu uns allen. Bringt uns Geschenke und hat immer ein freundliches Wort.« Trudy legte das letzte Kissen an Ort und Stelle und griff nach einer verknitterten kleinen Decke, die sie zu falten begann. »Nein, mein Vater war nicht so nett. Ich bin weggerannt, um mich vor seinen Prügeln zu verstecken, aber die Straßen waren nicht besser.« Sie wandte sich Karigan zu, und diese konnte selbst in dem trüben Licht sehen, wie gehetzt ihr Blick war. »Es gibt Leute auf der Straße, die sich besonders auf solche wie mich stürzen.«
Karigan schauderte. Sie wusste, dass das stimmte. Es gab Leute, die im Schatten lebten und die »anständige« Bürger wie sie selbst nicht sahen – oder die sie sich entschieden, nicht zu sehen.
»Es … es tut mir leid«, sagte sie.
Trudy zuckte mit den Achseln. »Wenn Silva mich nicht gerettet, mich aufgenommen und ernährt und mich warm gehalten hätte, wäre ich jetzt tot. Oder Schlimmeres. Ich habe Glück gehabt. Silva ließ mich bleiben, obwohl ich nicht viele Kunden habe.«
»Nicht viele – oh.« Wahrscheinlich suchten Frauen seltener Gesellschaft in einem Bordell, und Trudy hatte deshalb einen kleineren Kundenkreis.
»Ich gebe zu, dass ich eher als Partnerin beim Kartenspielen gefragt bin«, sagte Trudy mit einem dünnen Lächeln. »Ich bin nicht schlecht beim Ritterspiel und auch nicht bei Dreiern oder der Schwarzen Königin. Tatsächlich gewinne ich schrecklich oft. Aber ich habe auch ein paar sehr ergebene Kundinnen.«
»Äh, hm.«
»Das ist alles, was Ihr zu sagen habt?« In Trudys Augen stand nun ein amüsiertes Funkeln.
»Ja.« Karigan hatte durch die Geschäfte des Clans und seine Stellung in der Gesellschaft ihr Leben lang alle Arten von Leuten gekannt, darunter auch solche, die lieber eine Beziehung mit einer Person ihres eigenen Geschlechts hatten. Tatsächlich gab es zwei Herren, die eine hochgeschätzte Maßschneiderei in der Oberstadt von Korsa betrieben, zu den frühesten und treuesten Kunden des Clans gehörten und schließlich zu engen Freunden der Familie geworden waren. Karigan war mit Besuchen von Joshua und Orlen – oder Onkel Josh und Onkel Orry, wie sie sie genannt hatte – aufgewachsen, hielt sie für nicht anders als alle anderen in ihrem Leben und hatte sie sehr gern.
Himmel, sogar ihre sonst so konservativen Tanten waren über die Besuche der beiden in Entzücken verfallen, über deren Blumensträuße, Schals und Süßigkeiten, die ihnen zum Geschenk gemacht wurden. Die beiden Männer waren vollkommen entwaffnend und sehr unterhaltsam, und alle im Clan liebten und achteten sie. Karigan erkannte, dass ihre Einstellung wahrscheinlich nicht von jedem in
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