Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)
und die Tatsache, dass er ein Sohn des Hersen war, zu sehr. »Habe ich vielleicht einen Namen genannt?«
»Ich glaube, es war Thorir …«
Er sprang so heftig auf, dass die Bank umkippte. »Thorir?«, brüllte er.
Der Name war wie ein Schwerthieb Odins, der in einen Felsen fuhr. Wie eine tosende Quelle flutete die Erinnerung aus den Tiefen seines Bewusstseins hervor.
Plötzlich stand ihm alles wieder vor Augen: das bärtige Gesicht mit den blonden Haaren, kräftigen Zügen und ebenso starken Zähnen. Eines, das der Vorstellung der Welt von einem starken Nordmann entsprach, der lachend dem Meer, den Stürmen und den Göttern trotzte. Thorir, der Einzige, der es im Schwertkampf mit ihm aufnehmen konnte. Und der in der Klosterkapelle das Schwert gegen ihn erhoben hatte, weil er, Njal, hatte verhindern wollen, dass das Versprechen König Olaf Tryggvassons, die Klöster der irischen Küste zu verschonen, gebrochen wurde.
Njal wusste nicht mehr, wie es dazu gekommen war, dass er ihm im Zweikampf den Rücken hatte zuwenden müssen. Aber Thorir, so stark wie hinterhältig, hatte den Vorteil genutzt … Lauthals fluchend trat Njal gegen eine Bank. Unwillkürlich griff er nach dem Schwert, riss es ein Stück aus der Scheide und ließ es notgedrungen wieder zurückgleiten. Er donnerte die Faust auf den Tisch, stapfte durch den Raum und hieb sie gegen die Wand. Und brüllte.
Thorir! Feigling, Neiding! Mögest auch du vor den Toren Walhalls fortgestoßen werden! Wie konntest du es wagen?
Ein Geräusch drang durch seine Raserei und brachte ihn zur Besinnung. Caitlín – so hieß sie doch, nicht wahr? – stand an der Tür, blickte mit bleichem Gesicht über die Schulter und drehte fahrig den Schlüssel im Schloss. Mit einem Satz war er bei ihr und riss sie zurück. Sie schrie auf und versuchte ihm ins Gesicht zu schlagen.
Das erhitzte Nordmannblut in ihm wollte sie zurück in den Raum stoßen, doch stattdessen zog er sie an sich und wartete, bis ihre Hiebe auf seine Brust verebbten. Zugleich versiegte auch sein Zorn. Caitlín hielt den Kopf gesenkt; ihre gelösten Locken bedeckten einen Teil ihres geröteten Gesichts. Behutsam schob er eine Hand durch die rote Pracht und wischte ihr mit dem Daumen eine Träne von der Wange.
Er wollte sagen, dass sie ihn nicht fürchten müsse, schaffte es aber nicht, die Worte auszusprechen. Die kurze Raserei hatte ihn seiner letzten Kräfte beraubt; sein Rücken pochte heftiger als zuvor. Er wankte zur Tür und öffnete sie mit zittriger Hand. Wie er vermutet hatte, harrte im düsteren Korridor die Schar der Nonnen aus. Ihre Augen waren vor Entsetzen geweitet.
»Holt ein Brandeisen«, befahl er mit schleppender Stimme.
Eine der Frauen lief los und kehrte bald darauf mit einem Instrument zurück, das einem Löffel ähnelte. »Aber solche Anwendungen führt ausschließlich der Bader durch, und der kommt nur alle paar Wochen«, wisperte sie.
»Ihr wollt Eure Wunde also ausgebrannt haben?«, fragte die Äbtissin mit schneidender Stimme. »Gern. Ich werde es tun, schließlich habe ich ja versprochen, Euch zu helfen.«
Ihn schauderte. Er nahm das Eisen an sich, warf die Tür wieder zu und verschloss sie.
»Ihr müsst es tun«, sagte er an Caitlín gewandt.
Sie kehrte ihm den Rücken zu, vergrub die Finger in ihren Haaren und schüttelte aufschluchzend den Kopf. Nun, er konnte ihr die Furcht nicht verdenken. Warum hatte er auch so getobt, als sei die Wilde Jagd wie in den Raunächten über die Erde gefahren? Die Erinnerung an Thorir wollte sein Blut wieder zum Kochen bringen. Nein! An ihn durfte er jetzt nicht denken.
Er stieß Scheite in den Kamin, nahm dann einen Haken von der Wand und schürte das Feuer. Es brauchte Zeit, das Brandeisen zum Glühen zu bringen, während die schöne Irin stumm und mit um den Leib geschlungenen Armen seine ungelenken Bewegungen beobachtete.
Sie hatte Gelegenheit, hinauszuflüchten. Doch sie tat es nicht.
Das runde Ende des Eisens begann zu glühen. Er fand eine Schürze, die eine der Frauen zurückgelassen hatte, riss einen Streifen ab und umwickelte den Griff. Damit trat er zu Caitlín. Wieder schüttelte sie die roten Locken. Er umfasste ihr Handgelenk, schob den Griff zwischen ihre Finger und riss dann von der Schürze ein weiteres Stück Stoff ab, das er sich zwischen die Zähne stopfte. Anschließend kehrte er ihr den Rücken zu, legte die Unterarme auf den Tisch und senkte den Kopf.
4.
C aitlín konnte sich nicht mehr daran erinnern, das
Weitere Kostenlose Bücher