Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)
ihr alle Knochen wehtaten. Sie verfluchte seinen Rücken und liebte es, die Wange an seine Brust zu betten, als er sie endlich vom Pferd gehoben hatte und ihre steifen Schultern rieb. In einem Ort namens Larne hieß er sie, auf dem Marktplatz zu warten. Er wollte das Pferd verkaufen und ein Schiff suchen.
»Das kann eine Weile dauern, meyja . Es ist besser, wenn du nicht dabei bist. Einem Schiffsführer muss man sehr behutsam beibringen, dass eine Frau an Bord sein wird. Es wird leichter sein, wenn er nicht gleich sieht, wie schön du bist.«
Er nahm das Pferd am Zügel und tauchte in das Gewirr der Gassen ein. Sogleich fühlte Caitlín sich verlassen, hier an diesem windgepeitschten Ort mit einem Boden, der so schlammig war, dass sie sich fragte, ob hier jemals die Sonne schien. Ob es im Nordland genauso aussah?
Sie hielt die Mönchskutte, die er ihr um die Schultern gelegt hatte, vor der Brust zusammen. Der Wind zerzauste ihr Haar. Einige Mägde schauten neugierig, während sie auf eine Palisade am anderen Ende des kleinen Dorfes zuhielten. Dahinter erhob sich eine Burg. Auch ein Kloster gab es hier – ein dicker Mönch watschelte in schlammbespritzten Stiefeln und mit geraffter Kutte über den Platz. Sein Ziel war ein Weinhändler, der ihn leutselig begrüßte und sogleich zu verköstigen begann. Die beiden hatten ihr Vergnügen; zusehends röteten sich die Wangen des Ordensbruders. Auf einem Tisch in der Nähe nahmen Knechte Fische aus. Heringsköpfe flogen zu Boden, als ihre Beile niedersausten. Möwen wetteiferten mit Katzen um die Abfälle, Hunde schnüffelten, Bettler schlurften vorüber. Kinder jagten eine Gänseschar, und außerhalb Caitlíns Sicht schimpfte ein Sattler seinen faulen Knecht aus. Ab und zu schauten die Bewohner von Larne auf die See hinaus, aber Gedanken über einen Wikingerangriff schienen sie sich nicht zu machen. Ein glücklicher Ort. Ganz so war es daheim in Lionee an der Mündung der Bann. Eine Möwe kreischte über Caitlín, und sie sah in den steingrauen Himmel hinauf.
»Du siehst nicht aus wie jemand, der allein und verlassen auf einem Dorfplatz herumstehen sollte«, ertönte plötzlich eine Stimme neben ihr. Sie gehörte einer alten Frau, die einen Wäschekorb trug. »Kann ihr dir helfen?«
»Gott möge deine Fürsorge vergelten«, erwiderte Caitlín überrascht. »Aber ich fürchte, das kannst du nicht.«
»Wie wäre es wenigstens mit einer heißen Suppe? Frisches Brot kriegst du auch, wenn du mit auf die Burg kommst. Und ich könnte ein paar zusätzliche Hände in der Küche gut gebrauchen.« Die Alte nickte in Richtung des Walls. Auch die Burg ähnelte der von Lionee. Caitlín dachte, dass sie, ginge sie mit der Frau, dem Burgherrn sagen könnte, wer sie war. Gewiss würde er ihr helfen, nach Hause zurückzukehren.
»Es wird gleich anfangen zu schneien«, lockte die Magd. Ihr Lächeln war durchaus freundlich und vertrauenerweckend. »Da bleibt kein Hund freiwillig vorm Haus.«
»Auslaufen tut man jetzt vermutlich auch nicht, oder?«, entfuhr es Caitlín.
»Du meinst, mit einem Schiff hinaus aufs Meer? Das ist in dieser Jahreszeit ziemlich ungemütlich.« Die Alte lachte. »Bist doch kein Wikingerweib, dem so etwas nichts ausmacht, hm? Na komm, du hast ja schon eine Schneeflocke auf der Nase. Am Feuer bei der Arbeit werde ich dir Geschichten von den Schiffen erzählen, die das Wintermeer geholt hat.«
Caitlín wischte sich über die feuchte Nase. War da nicht Njals Gestalt in einer der Gassen? »Danke, aber ich bleibe lieber hier.«
Achselzuckend wandte die Magd sich ab und schlurfte auf die Burg zu. Tatsächlich, da kam Njal, ohne Pferd, aber mit einem Bündel über der Schulter und einem Umhang, den er Caitlín reichte. Dankbar hüllte sie sich darin ein.
»Unser Schiff geht heute noch, bis dahin werden wir uns verstecken. Der Erlös für das Pferd hat sogar genügt, dass ich nicht an die Riemen muss mit meiner Hand«, sagte er. »Was wollte die Alte von dir?«
»Mich vorm Auslaufen warnen, glaube ich.«
Er half ihr, die Kapuze über der Stirn zu ordnen, und strich sanft eine Locke darunter. Caitlín wartete, dass er sagte, es würde schon alles gut gehen – irgendein beruhigendes Wort. »Die Götter werden schon auf uns aufpassen«, meinte er nur. Sie seufzte.
II.
LÄRMHEIM
6.
D er Regen und der heftige Sturm peitschten ihre kupfernen Locken hin und her. Selbst jetzt noch, im Angesicht des Todes, musste er sich eingestehen, wie berückend schön sie war. Wie
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