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Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)

Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)

Titel: Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shirley Waters
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spürte, wie das Blut in seinen Adern kochte. Trotz des Rausches war ihm klar, dass er Éamonn nicht umbringen konnte, ohne Caitlín zu gefährden. Der Ire hielt sie so, dass sein Oberkörper hinter ihr verborgen war.
    Zögern ist der Tod … Ruckartig senkte Njal den Bogen und schoss. Dann, ohne hinzusehen, was er angerichtet hatte, drehte er sich auf der Ferse herum, warf den Bogen fort und stieß dem sich aufrappelnden Knecht die Schwertspitze in die Kehle.
    Éamonn lag am Boden. Caitlín kniete auf ihm; zwischen ihren Beinen ragte der Pfeil aus ihrem Kleid. Schreiend schlug sie danach wie nach einem riesigen Insekt. Njal rannte zu ihr, riss den Pfeil an sich und zerrte sie auf die Füße, fort von Éamonn. Stöhnend setzte sich der Ire auf und presste die Hand auf seinen blutenden Oberschenkel.
    »Dafür werde ich dir die Haut bei lebendigem Leibe abziehen, Wikinger«, keuchte er. »Das schwöre ich …«
    Ob er bei seinem Gott schwörte, entzog sich Njal, denn Éamonns hasserfülltes Gestammel wurde von den Entsetzensschreien der Nonnen übertönt, die der Tumult in den Stall gelockt hatte. Die dänische Magd Hyld stürzte an Caitlíns Seite und umarmte sie. Ein Schwindel erfasste Njal. Er bemerkte, dass Caitlín ihn zu stützen versuchte. Die Raserei war vorbei, seine Gedanken waren wieder klar, und jetzt spürte er wieder seinen erbärmlichen Zustand. Auf unsicheren Beinen ging er zum Stützpfosten, in den er seine Flüche geritzt hatte, und suchte daran Halt.
    »Du hättest mich töten können, Njal«, sagte Caitlín. Trotz des Lärms hörte er den Vorwurf in ihrer zitternden Stimme. Er schüttelte die schweißfeuchten Haare.
    »Nein, ich weiß, was ich kann, selbst wenn mein Arm mich beeinträchtigt. In so einem Moment treten Schmerzen und Mühsal in den Hintergrund. Aber jetzt, so fürchte ich …«
    Vielsagend blickte er zurück. Die Frauen hatten Éamonn umringt; einige von ihnen starrten ängstlich herüber. Was hatte Éamonn gesagt? Ein Trupp sei ihm auf dem Fuß?
    »… musst du gehen, ich weiß«, ergänzte Caitlín. »Nimm mich mit. Ich flehe dich an, nimm mich mit.«
    »Ins Nordland?«, fragte er verblüfft. Falls sie glaubte, das Leben in den dänischen Dörfern, die sie kannte, hätte damit viel gemein, täuschte sie sich. »Das ist nicht deine Welt.«
    »Habe ich denn überhaupt noch eine Welt?«
    »Herrin Caitlín, bitte nicht!«, wimmerte ihre Zofe.
    »Caitlín, du weißt rein gar nichts über mich! Du könntest es bereuen. Nein, du wirst es.«
    Wild schüttelte sie den Kopf. »Was immer jetzt geschieht, es kann nicht schlimmer sein als eine Ehe mit Éamonn. Mag sein, dass er einen guten Brautpreis für mich bezahlt hat, aber was bin ich ihm wirklich wert, wenn er mich als Schild benutzt? Er wird mich mit Füßen treten, in den Dreck stoßen …« Die Worte sprudelten aus ihr hervor wie aus einer Quelle. Caitlín raufte sich die Haare. In ihrem Gesicht stand blankes Entsetzen.
    Hart stieß er den Atem aus.
    Verdammt!
    Er zog sie zu den Pferden und sattelte in aller Eile eines der Tiere. Nichts hatten sie bei sich, stattdessen würde ihnen eine feindliche Truppe auf den Fersen folgen. Aber immerhin würden sie nicht zu Fuß flüchten müssen, ein Glücksfall. Er spürte mehr, als dass er es sah, wie Éamonn, der sich auf den Hackstumpf gehievt hatte, den Vorbereitungen ihrer Flucht zusah.
    Njal gürtete sein Schwert, warf sich die Mönchskutte über die Schulter und half Caitlín auf das Pferd, bevor er sich vor sie in den Sattel schwang. Langsam ritten sie aus dem Stall, vorbei an Éamonn, vorbei an der Äbtissin, deren Miene erstarrt war, und an der Magd, die lauthals heulte. Die kleine, dickliche Órla kam herbeigerannt, reckte sich nach Caitlíns Händen, küsste sie und überschüttete Caitlín mit Segenswünschen.
    »Denk an mich, Wikinger«, grollte Éamonn, der noch immer auf dem Hackklotz saß. »Kein Mann lässt sich ungestraft die Frau stehlen.«
    Wenn er nicht einmal jetzt ein Wort an seine Braut richtet , so dachte Njal, dann haben die Schicksalsgöttinnen, die den Lebensfaden spinnen, vielleicht doch richtig entschieden .
    Es kam kein Wort mehr.
    War sie verrückt, sich auf dieses Wagnis eingelassen zu haben? War er verrückt, weil er davon redete, noch während des Spätwinters in das Nordland zurückkehren zu wollen, weil Thorir nicht damit rechnete? Hatte er vergessen, dass sein Feind ihn für tot hielt? Er trieb das Pferd an und missachtete ihre Bitten, rasten zu wollen, weil

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