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Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)

Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)

Titel: Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shirley Waters
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gewaltigen, hoch aufragenden Steilwände, die immer näher gekommen waren … Sie starrte auf den Stofffetzen in ihren Händen, der einmal ihr Kleid gewesen war, entsann sich des Tobens der Elemente und des Brüllens der Mannschaft. Und des Knarrens und Berstens der Knorr.
    Ich bin gerettet .
    Erleichterung durchflutete sie. Sie schwang die Beine aus dem großzügig mit dicken Fellen belegten Bett und lief vorsichtig über Teppiche fremdartiger Machart. Ihr Gastgeber, vielleicht Njals Vater, musste ein reicher Mann sein! Kalte Luft umfloss ihren nackten Leib, als sie den Fensterladen entriegelte und aufstieß. Erschrocken hielt sie den Atem an.
    Ein Wellenmeer aus Schnee breitete sich vor ihren Augen aus. Erst beim zweiten Hinsehen erkannte sie, dass sich darunter niedrige Häuser verbargen, sich an sanfte Hügel schmiegten. Grashalme und karges Buschwerk schauten über den Dächern aus der Schneelast hervor, Rauchfahnen kräuselten sich über kaum sichtbaren Öffnungen. Caitlín rieb sich die Augen, so hell warf der Schnee das Sonnenlicht zurück. Die Luft war so klar und belebend, dass die Erinnerung an den Sturm zu einem längst vergangenen Traum verblasste.
    Schritte ertönten hinter ihr, schwer und mächtig.
    Njal? Caitlín fuhr herum, riss eine pelzgesäumte Wolldecke an sich und schaffte es gerade noch, sich den Stoff umzulegen, bevor die Tür aufschwang. Sie erblickte seine große Gestalt, spürte mit Wucht seine Präsenz, die ihm wie ein Duft vorausging, bis er vor ihr stand.
    Es war nicht Njal.
    Der Nordmann öffnete den Mund zu einem breiten Lächeln. Er besaß helle, gerade Zähne in einem klar geschnittenen Gesicht mit Augen, aus denen es wild blitzte. Ganz wie Njal und doch ganz anders: Dieser Mann war blond, sein Haar nicht gar so lang, sein kurz geschnittener, gepflegter Bart von roten Strähnen durchzogen. Als sein Blick über ihren Körper glitt, spürte sie, wie sie zutiefst errötete. Hastig vergewisserte sie sich, dass ihre Blöße bedeckt war.
    Ihre Schultern jedoch waren nackt. Der Mann streckte eine Hand aus, berührte sie sanft mit dem Zeigefinger, erzeugte in ihr aber ein unangenehmes Prickeln, als habe er sie mit der ganzen Hand besitzergreifend angefasst.
    »Wie heißt du?«, fragte er.
    »Ich bin Caitlín von Lionee in Irland«, erwiderte sie, um so viel Würde bemüht, wie es ihr in dieser Lage möglich war, »Tochter des Herrn Colin. Wo bin ich?«
    Er überging die Frage. »Eine Irin, dachte ich’s mir doch. Du hast prächtiges Haar, aber hoffentlich doch keine Läuse?«
    Sie schnappte nach Luft. Läuse? Sie war doch keine Stallmagd! »Ich bin eine Herrin«, sagte sie, die Stimme vor Empörung zitternd. »Und wer seid Ihr? «
    »Du bist vor allem eine schöne Frau.« Entweder hatte er nicht verstanden, worauf ihre überaus deutliche Betonung der ehrerbietigen Anrede abzielte, oder er war einfach nur ein Barbar, der nicht wusste, wie man eine Herrin anredete. »Meine Leute haben dich am Ufer gefunden. Dich und die Knorr, die doch tatsächlich einen langen Weg zurücklegte, nur um vor der Küste zu zerschellen. Ihr kamt also aus Irland? Loki, der Gott der Händler, hat einen ganz eigenen Sinn von Humor. Aber du wolltest wissen, wer ich …«
    »Die Knorr«, unterbrach sie ihn. »Die Mannschaft!«
    Nun erst wurden ihr sämtliche Ereignisse wieder bewusst. Njal, der sie festgebunden hatte und dann selbst ins Wasser geglitten war. Allmächtiger Gott!
    Sie wollte ihm Njals Namen nennen, wollte ihn anschreien, wollte betteln, dass er ihr nur sagte, ob Njal lebte. Doch irgendetwas hielt sie zurück, ihre Frage so vorschnell auszusprechen.
    Er runzelte die Stirn, als sei ihm das Thema lästig. »Ein paar haben überlebt, allerdings mit so üblen Knochenbrüchen, dass man sich fragen muss, ob sie den Sommer noch sehen werden. Du hattest unverschämtes Glück. Waren Verwandte von dir an Bord?«
    Sie kämpfte darum, ruhig zu antworten. Ihr schwindelte vor Entsetzen. »Nein, keine Verwandten. Aber …«
    »Dann vergiss das Schiff. Du wirst es gut bei uns haben, dir soll es an nichts fehlen.« Er ging an ihr vorbei zum Fenster und schloss den Laden. Jeder Schritt, jede geschmeidige Bewegung erinnerte sie an Njal. Caitlín wandte sich um, um ihm nicht den Rücken zukehren zu müssen. Er entfernte eine Fibel an der Schulter, rund, silbern und äußerst kostbar. Sein Umhang fiel an ihm hinab; er fing ihn auf und warf ihn über die Lehne eines Stuhls. Unter seinem weißen, fein gewebten Hemd mit

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