Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)
zu kraftvoll, um sich vom Meer auf dem letzten Stück seines Weges noch bezwingen zu lassen.
Caitlín schnappte nach Luft und setzte zu widersprechen an. »Ich will nicht glauben, dass …« Weiter kam sie nicht. Mit zwei raschen Schritten war Álfdis bei ihr und holte mit der Hand zum Schlag aus. Nur flüchtig erwog Caitlín, sich zu wehren – aber dann wäre ihr Leben nichts mehr wert.
Stattdessen wich sie zurück. Sie spürte Thorirs Atem im Nacken, sprang in Richtung des Tisches, um dahinter Schutz zu suchen. Ihre Füße verfingen sich in der Decke und rissen sie ihr vom Körper. Nackt stolperte sie auf die Knie.
»Bei Hel, schön ist sie ja«, grollte Álfdis. »Wenn du sie fürs Bett haben willst, mein Sohn, dann nimm sie. Aber schaff sie mir aus den Augen. Edana?« Gehorsam eilte die Angesprochene herbei. »Gib ihr zuvor zehn Streiche mit dem Ziemer, damit sie begreift, dass eine Sklavin den Mund zu halten hat.«
»Das kannst du auch später erledigen«, Thorir hielt Edana, die schon unter ihre Schürze gegriffen hatte, mit einer herrischen Handbewegung zurück.
Vergeblich versuchte Caitlín, die Decke zu entwirren und über sich zu ziehen. Schließlich kauerte sie sich in ihrer Not darauf zusammen und schlang die Arme um die Knie. Als Thorir nach ihrem Arm griff, widerstand sie dem Drang, schnell unter den Tisch zu kriechen. Fortzukrabbeln wie ein Kind wäre allzu entwürdigend, zumal es ihr nichts nutzen würde. So blieb ihr nichts, als sich von Thorir hochzerren zu lassen. Edana entwirrte die Decke und hielt sie ihr hin.
»Weg damit!«, befahl Thorir barsch. »Es sollen alle sehen, wer du bist – und was du bist. Alle sollen wissen, dass du bestenfalls eine Herrin warst .«
Caitlín stemmte die Fersen in den Boden. Allen Ernstes wollte er sie nackt ins Freie zerren! Hilfesuchend blickte sie sich um, doch Edana ließ nur bedauernd die knochigen Schultern hängen. Álfdis war so kalt wie zuvor, und die anderen Nordländer starrten sie belustigt, eingeschüchtert oder auch gierig an, je nachdem, ob es Frauen, Kinder oder bärtige Krieger waren. Mit ihrem freien Arm bedeckte Caitlín die Brüste und schlich hinter Thorir her. Sie knurrte, wimmerte und schüttelte sich, aber es half nichts. Schon strich die durch den offenen Eingang hereinströmende Luft um ihren Leib und ließ ihn erzittern.
Ein Mann, den sie zuvor nicht bemerkt hatte, löste sich aus den Schatten. Braunes Tuch umhüllte seine zierliche Gestalt. In seinem dunklen Kraushaar lag ein rötlicher Schimmer. Im Arm hielt er eine Harfe – eine irische Harfe.
»Herr«, hob er an, und Thorir blieb stehen, »Herr, möchtet Ihr, dass ich über Eure Tat ein Lied ersinne, das man zukünftig an den Feuern singen wird?« Beiläufig zupfte er eine Saite. »Thorir Eiriksson, der große Held, der mit unermesslicher Beute von den östlichen Inseln heimkam, bezwang im Zweikampf eine schöne Frau. Stolz zeigte er sie dem Volk, wie Gott sie schuf, und es …«
»Mund halten, Skalde«, knurrte Thorir. »Den hätte ich längst zunähen lassen, wäre mein Vater nicht so in deine Lieder vernarrt.«
»Ich weiß«, lächelte der Skalde, als höre er derartige Scherze des Öfteren. Caitlín konnte sich lebhaft ausmalen, dass der Wikinger Drohungen wie diese gelegentlich auch wahrmachte. Aufmunternd zwinkerte der Lockenkopf ihr zu. »Nun denn, einen Versuch war es wert, Euch, Herrin, vor dieser Schmach zu bewahren.« Er gab den Weg frei. »Fürchtet Euch nicht, die Sonne scheint heute warm.«
»Sei trotzdem bedankt«, murmelte sie.
Dann war sie draußen in der blendenden Helligkeit. Thorir zerrte sie über den Dorfplatz. Die Nordleute kamen heran, stießen sich die Ellbogen in die Seiten, schwiegen aber zumeist. Einige verneigten sich vor Thorir, während er vorüberschritt. In der Mitte des Platzes, zwischen Gestellen, auf denen Tierhäute zum Trocknen aufgespannt waren, neben einem Kesselflicker, der den Kopf von seiner Arbeit hob, und Frauen, die geflochtene Körbe und hölzerne Gefäße zum Verkauf oder Tausch feilboten, blieb Thorir mit ihr stehen.
»Diese Sklavin versuchte zu fliehen!«, rief er in die Runde, drehte sich und hielt Caitlíns Arm in die Höhe. »Dafür haben andere schon ihre Hände verloren! Aber ich bin gnädig und belasse es bei einer Züchtigung.«
Mit der freien Hand begann er seinen Ledergürtel zu lösen. Caitlín glaubte nicht zu trauen, was sie hörte und sah. Sie bebte vor Scham und Furcht. Zweifellos war sein Schlag um ein
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