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Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)

Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition)

Titel: Der schwarze Wikinger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shirley Waters
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rote Farbe blätterte und dessen eiserner Rand wohl seit den Zeiten der Kelten vor sich hinrostete.
    Ein paar Kinder lugten neugierig unter ihren Fellen hervor. Eine Frau, die einen dichten Bärenpelz kämmte, stieß eine andere mit dem Ellbogen an und nickte in Caitlíns Richtung. Und einem erwachenden Hünen wollten schier die Augen aus dem Kopf fallen, als er Caitlín erblickte. Auf einem der zwölf, dreizehn Stühle rund um den ausladenden Tisch reckte sich ein anderer, der mit einer Hand um ein Methorn im Sitzen geschlafen hatte. Während ihm Bier aus dem Bart troff, grinste er Caitlín unverhohlen an.
    Eine Frau trat durch den Vorhang einer Seitentür. Hochgewachsen, mit breiten Schultern und kräftigen Armen fast wie die eines Mannes, waren ihre Schritte dennoch geschmeidig. Im Raum schien es heller zu werden, von solch strahlendem Blond waren ihre Haare. Mit Silberschmuck überladen, hingen sie ihr zu zwei dicken Zöpfen geflochten bis zu den breiten Hüften. Ihr Schürzenkleid, das sie über einem blauseidenen Untergewand trug, war mit Borten und Schmuckscheiben verziert, an ihrem Hals hing schweres Geschmeide aus Gold und Edelsteinen. Stets hatte sich Caitlín die Wikingerfrauen wild und ungepflegt vorgestellt, mit ungekämmtem Haar und ein Messer statt Schmuck tragend. Nun kam ihr dieser Gedanke albern vor. Irgendwo , so dachte sie, muss die geraubte Beute ja bleiben .
    Allerdings trug die Frau in der Tat ein Messer. Es steckte für alle sichtbar in einer kostbar verzierten Scheide an ihrem Gürtel.
    »Herrin!«, rief die Sklavenaufseherin und machte eine tiefe Verbeugung. »Dies ist die irische Schiffbrüchige. Ich will ihr etwas Anständiges zum Anziehen geben.«
    »War Thorir etwa zu forsch, dass sie vor ihm floh?« Die Angesprochene hob eine Braue. Ihre Hände hatte sie vor dem Bauch übereinandergeschlagen, ganz hoheitsvolle Hausherrin. Caitlín hatte das Gefühl, unter ihrem kühlen Blick zu schrumpfen. »Schick sie zu ihm zurück. Ich dulde solche Narreteien nicht im Haus des Hersen.«
    Unwillkürlich ballte Caitlín die Fäuste. Wie konnte diese Frau es wagen, so hochmütig über sie zu reden, als sei sie nicht anwesend? »Verzeihung«, sagte sie, das Kinn kampfeslustig gereckt, »ich bin ebenso eine Herrin. Mein Vater ist der Herr von Lionee, und ich …«
    Die Hausherrin verengte angewidert die Augen.
    »Herrin Álfdis mag vieles nicht, aber vor allem keine Widerworte«, raunte Edana in Caitlíns Ohr.
    Unwirsch schüttelte Caitlín den Kopf. »Ich wollte sagen, ich bin Njal Eirikssons …«, hob sie an und verstummte. Was sollte sie denn sagen, was sie war? Seine Geliebte? Seine Beute?
    »Ja?«, fragte Álfdis lauernd. Eine Stimme wie eine Waffe, die einen Holzschild wie jenen über dem Thronstuhl mit Leichtigkeit entzweihauen konnte.
    »Er kennt mich. Er wird für mich einstehen.«
    Die Frau trat näher, um auf Caitlín herabzublicken. »Tatsächlich? Aber wo ist er? Du bist allein.«
    Es hätte Caitlín nicht verwundert, wäre ein starker Krieger, wie Njal es war, vor dieser Frau in Deckung gegangen. »Ich hatte gehofft, er sei hier«, durchbrach sie flüsternd die schneidende Stille.
    »Thorir sagte, er sei tot«, erwiderte Álfdis.
    »So ist es!«, rief jemand. Caitlín fuhr herum und duckte sich unwillkürlich, die Arme fest um sich geschlungen, als Thorir durch die Halle stapfte. Alle Anwesenden waren nun vollends erwacht; aufmerksam verfolgten sie das Geschehen. Das ganze Haus hatte den Atem angehalten, so schien es ihr. Eingeschüchtert kauerten die Kinder unter ihren Fellen, und sogar ein großer Jagdhund hatte sich tief in die Schatten zurückgezogen.
    »Es ist, wie ich es sagte, Mutter.« Thorir entblößte seine kräftigen Zähne zu einem raubtierhaften Lächeln. »Auf Wikingfahrten lässt sich der Tod nur zu gern blicken; das ist kaum zu vermeiden. Diese Frau lügt oder ist nicht mehr ganz bei Trost. Als es sie an die Küste warf, haben anscheinend ihre Sinne gelitten.«
    Mutter? Caitlín starrte die Frau an. Thorir war Njals Bruder … Euer Sohn lebt! , wollte sie rufen, wollte es so laut schreien, dass es von den hohen Wänden widerhallte. Doch die entsetzliche Gleichgültigkeit in Álfdis’ Zügen ließ sie stumm bleiben. Was, wenn Njal wirklich tot, wenn er ertrunken war? Nein, nein, nein! Welch unglückliche Wendung! Sie hatte ihn doch gesehen, seinen Kopf über den Wellen, seine Arme, wie sie durch das Wasser pflügten. Er war viel stärker als sie, die überlebt hatte. Viel

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