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Der Schweizversteher

Der Schweizversteher

Titel: Der Schweizversteher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diccon Bewes
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gibt: Zigarettenkippen, Kaugummi und Graffiti. Und
zwar überall.
    Die meisten Schweizer Raucher betrachten ihre
Zigarettenkippen ganz offensichtlich nicht als Abfall. Sie schnippen sie so
hemmungslos auf den Boden, dass der Umkreis einer Bushaltestelle aussehen kann,
als hätte hier ein Zigarettenmassaker stattgefunden, so viele kleine hellbraune
Leichname bedecken den Boden. Es ist durchaus möglich, einen Raucher zu
beobachten, der seinen Müll sorgfältig in einen Abfalleimer entsorgt, einen
letzten Zug nimmt und das noch glimmende Ende aufs Pflaster schnippt.
    Manche Gemeinden wie Bern haben versucht, dieser
Unsitte Herr zu werden, indem sie dafür Strafen von 100 Franken verhängt haben.
Doch seitdem das Rauchen in geschlossenen Räumen verboten ist, türmen sich die
Kippen draußen zu sogar noch höheren Bergen.
    Dann das Kaugummi. Die Schweizer lieben Kaugummi. Pro
Kopf konsumieren sie – da klappt einem die Kinnlade herunter und erst mal nicht
wieder hoch – 700
Gramm im Jahr, genauso viel wie die US -amerikanischen
Meisterkauer. Ob jung, ob alt, ob Mann, ob Frau macht kaum einen Unterschied –
und ich glaube, ich weiß auch, warum. Mit dieser langsamen wiederkäuenden
Bewegung folgen sie ihrem unbewussten Bedürfnis, es den Kühen auf ihren Wiesen
gleichzutun. Nur ein weiterer Beleg dafür, dass im Innern eines jeden
Schweizers eine ländliche Seele schlummert und auf Ausbruch sinnt. Tja, es hat
wohl seinen tieferen Sinn, dass das englische Wort für Kuh – cow – von der Aussprache her an das deutsche »Kauen«
erinnert. Dieses uramerikanische Produkt könnte damit als »Kuh«-Gummi gelten.
Und es wäre gar nicht so schlimm, in einem Land voller Kuhimitatoren zu leben,
wenn nicht die Hälfte davon das Kauprodukt auf den Boden spucken würde. Eine
Menge Schweizer, vor allem junge männlichen Geschlechts, spucken oft aus, und
besonders gern mit Kaugummi. Schweizer Gehwege sehen daher aus, als hätten sie
eine besonders aggressive Form von Masern, so übersät sind sie mit Hunderten
von Pusteln. Das ist zwar auch in vielen anderen Ländern ein Problem, aber doch
keines, womit man in der Schweiz rechnen würde.
    Dasselbe gilt für Graffiti. Jeden Morgen, wenn ich die
Fensterläden von meinem Schlafzimmer öffne, sehe ich als Erstes in großen
schwarzen Buchstaben auf der Hauswand gegenüber: FUCK
NAZIS . Auch wenn ich der Aussage, allerdings nicht wortwörtlich,
zustimme, ist es keine schöne Aussicht, die sich mir jeden Morgen in dieser
ganz normalen Straße bietet. Doch wie Hunde markieren die Sprayer hier alles.
Und wie überall sind ihre bevorzugten Ziele Eisenbahnen, Straßenschilder und
Werbetafeln. Manche farblich und künstlerisch gelungenen Werke werten eine
langweilige Brücke auf, doch leider gibt es auch Graffiti auf normalen Häusern,
historischen Gebäuden und Fenstern. Am meisten überrascht dabei, dass dieser
Akt der Rebellion von der Schweizer Gesellschaft insgesamt toleriert, ja sogar
akzeptiert wird. Niemand scheint sich darüber aufzuregen. Oder sich auch nur
darum zu scheren, selbst an Orten, die weit bedeutsamer sind als ein altes
Kaufhaus oder eine Autobahnüberführung.
    Neuchâtel ist angeblich der Ort in der Schweiz, wo das
beste Französisch gesprochen wird, und die Altstadt zählt zu den hübschesten
des Landes. An einen See gedrängt, ist sie ein hinreißendes Potpourri aus
steilen Gassen, kopfsteingepflasterten Plätzen und Gebäuden aus goldfarbenem
Sandstein, von denen Alexandre Dumas einst sagte, sie seien aus Butter geschnitzt.
Das bezaubernde Ensemble wird gekrönt von einem Schloss mit Türmchen, dem die
Stadt ihren Namen verdankt, und einer Kirche wie aus einem Märchen. Also ein
kleines Stück französischer Himmel, der in die Schweiz verfrachtet wurde. Doch
wie um zu beweisen, dass man tatsächlich in der Schweiz ist, ist der Weg vom
Bahnhof in die Stadt von so massenhaft vielen Graffiti gesäumt, wie man es
selten sieht. Die schönen mittelalterlichen Mauern von modernen Schmierereien
entstellt zu sehen ist ein trauriger Anblick, aber die Einheimischen gehen
vorbei, als wäre nichts.

Grün ist die Farbe
    Doch wie um diese drei Schwachpunkte wettzumachen,
zählen die Schweizer zu den leidenschaftlichsten Mülltrennern der Welt, die mit
ihren Quoten die meisten anderen Länder zutiefst beschämen. Die

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