Der Schweizversteher
meisten
Bereiche des Schweizer Lebens sind effizient organisiert und werden streng
kontrolliert, so auch das Recycling. Supermärkte nehmen alte Glühbirnen,
Plastikflaschen und Batterien zurück, Papier und Kartonagen werden kostenlos an
der Haustür abgeholt, Altglas- und WeiÃblechcontainer gibt es in Hülle und
Fülle. Mülltrennung gilt nicht so sehr als eine persönliche Entscheidung,
vielmehr als Bürgerpflicht. Dafür könnte es zwei Gründe geben.
Erstens sind die Schweizer zwar militärisch neutral,
im Grunde ihres Herzens aber Umweltkämpfer. Statt sich jedoch draufgängerisch
an Bäume anzuketten oder Walfangschiffe anzugreifen, retten sie den Planeten
durch Recycling. Und indem sie die Grünen wählen. Bei den letzten allgemeinen
Wahlen wurden die Grünen mit knapp zehn Prozent der Stimmen fünfstärkste Partei
â und erhielten damit einen zehnmal gröÃeren Stimmenanteil als ihre britische
Schwesterpartei.
Zweitens ist es billiger. In einem Land, in dem man
für jeden Müllsack zahlt, den man zur Abholung bereitstellt, ist Recycling im
ureigensten Interesse. Restmüll wird nämlich nur entsorgt, wenn er in einen
gebührenpflichtigen Sack gefüllt wurde (der beispielsweise in Bern je nach
GröÃe zwischen 90
Rappen für 17
Liter und 5,50
Franken für 110
Liter kostet) oder in einen Sack mit einer entsprechenden Gebührenmarke â wie
alles in diesem Land wird auch das in jeder Gemeinde anders gehandhabt.
Je mehr man also recycelt, desto weniger Restmüll
bleibt übrig, und umso weniger muss man zahlen. Geld sparen ist ein glänzender
Ansporn, die Erde zu retten. Dennoch hege ich den schleichenden Verdacht, dass
die meisten Schweizer so eifrig Müll trennen, weil sie sich damit
vorschriftsmäÃig verhalten. Wie befriedigend ist es doch, an einem
Müllabfuhrtag (normalerweise zwei Mal pro Woche) die StraÃe entlangzuschauen
und ein Heer identischer Müllsäcke auf dem Gehweg aufgereiht zu sehen. So
einheitlich, so schmuck. Noch lohnender ist es, wenn man seine Zeitungen
ordentlich mit Schnur zusammenbindet und weiÃ, dass sie dann abgeholt werden.
Wenn man sie nur in eine Papiertüte stopft oder sein Bündel schlecht geschnürt
hat, bleiben sie nämlich liegen. Oft prangt dann ein Aufkleber darauf: Nicht
zur Abholung geeignet. Nein, ich scherze nicht.
Egal welche Gründe es hat, jedenfalls sind die
Schweizer Meister des Recycling. Bei Batterien beispielsweise haben sie eine
Rücklaufquote von 69
Prozent gegenüber 44,4
Prozent in Deutschland und schäbigen drei Prozent in GroÃbritannien.
Aber wenn Mr. Joe Brit seine alten Batterien (und
Glühbirnen und Coca-Cola-Flaschen) einfach beim nächsten Einkauf im Supermarkt
abgeben könnte, wäre die Quote in meinem Heimatland wahrscheinlich auch höher.
In der Schweiz sind die Händler auÃerdem gesetzlich dazu verpflichtet, leere
Softdrinkflaschen zurückzunehmen; die Entsorgungskosten werden also den
umsatzstarken Supermarktketten aufgebürdet statt den klammen Kommunen.
Theoretisch ist es genauso wie in Deutschland, nur dass dort manche Flaschen
wiederverwendbar sind (die Pfandflaschen), manche recycelt und andere einfach
weggeworfen werden. Ausnahmsweise machen es sich die Schweizer einfach. Aus den PET -Flaschen entsteht dann alles Mögliche von
Eierkartons bis hin zu Fleece. Wussten Sie, dass man aus 25 PET -Flaschen
eine Fleecejacke herstellen kann? Mit solchen Fakten wirbt die Recyclinglobby,
und offensichtlich funktioniert es.
Groteske Formen nimmt das Recycling auf Schweizer
Friedhöfen an. Auf einem Schweizer Friedhof ist die groÃe Mehrheit der Gräber
keine 25
Jahre alt, was zumindest teilweise erklärt, dass alle so gepflegt aussehen. Mit
Ausnahme der meist käuflich erworbenen Familiengräber wurden die allermeisten
Grabstätten für zwanzig bis 25
Jahre gemietet, und die Grabpflege ist Teil des Vertrags. Danach wird der Platz
erneut genutzt, häufig von der nächsten Generation derselben Familie. Sogar der
Grabstein wird recycelt, wenn die Familie ihn nicht behalten will. Und fragen
wir uns einmal ehrlich, was fängt man schon mit Omis Grabstein an? In die
Wohnzimmerecke will er nicht so recht passen. Vielleicht als Hingucker im
Garten? Ungewollte Grabsteine werden zu Schmuckkieseln und Schotter
verarbeitet. Eine völlig unsentimentale und bei Platzmangel enorm praktische
Lösung.
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