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Der Schweizversteher

Der Schweizversteher

Titel: Der Schweizversteher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diccon Bewes
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132 000
Mitarbeiter beschäftigten. Das ist ein beachtlicher Wirtschaftszweig, doch die
meisten dieser Banken werden weder in Schlagzeilen noch in Romanen erwähnt; sie
führen ganz einfach nur die Sparkonten der Bevölkerung, und davon besitzt jeder
Schweizer im Durchschnitt drei. Aber wenn Sie Sakrileg lesen
oder einen James-Bond-Film anschauen, könnten Sie zu dem Schluss gelangen, dass
es bei Schweizer Banken nur Nummernkonten gibt, auf denen unrechtmäßig
erworbene Gelder lagern, und Schließfächer, die seit Langem verschollene
Schätze bergen. Schweizer Banken tauchen mit vorhersehbarer Regelmäßigkeit in
Büchern und Filmen auf, sodass Ausländer glauben, alles drehe sich hier um Heimlichtuerei,
während es den Schweizern um Privatsphäre geht. Man könnte meinen, das sei
dasselbe. Ist es aber nicht. Die Banken sind in vieler Hinsicht ein Spiegelbild
der Schweizer Gesellschaft: Hier wie dort gibt es einen Vertrauensvorschuss,
man geht davon aus, dass jeder das Richtige tut, man dringt niemals in die
Privatsphäre ein oder unterstellt dem anderen Unredlichkeit.
    Schweizer Banken gelten als Teil der Gemeinschaft, der
in unsicheren Zeiten Zuflucht bieten und Stabilität garantieren soll. Das hat
sie von jeher für Ausländer attraktiv gemacht, lange bevor das Bankgeheimnis
von Rechts wegen geschützt wurde. Das Geschäftsethos britischer und
amerikanischer Banken hat sich hingegen schon vor langer Zeit in Richtung
Geldverdienen und Risikobereitschaft verlagert, um den Bankern und der
Wirtschaft zu größerem Reichtum zu verhelfen. Eine solche Haltung ist zwar
durch und durch unschweizerisch, aber die beiden großen Schweizer Banken wurden
in den Wirbelwind der Profitgier hineingezogen und bezahlen nun den Preis. Den
Sturzflug der UBS beobachten zu müssen war für die
Schweizer nicht nur eine nationale Demütigung, sondern zeigte auch auf, wie
eine Bank den Vertrauenspakt mit den Menschen gebrochen hatte. Geld kann rasch
wieder verdient werden, Vertrauen wiederaufzubauen dauert sehr viel länger.

Geldeslust, Steuerfrust
    Der Vertrauensvorschuss, auf dem die Schweizer
Gesellschaft gründet, ist ironischerweise Quelle heftiger Konflikte mit dem
Rest der Welt, und das bloß wegen der Steuern. In der Schweiz funktioniert das
Steuersystem nach dem gleichen Prinzip wie die unbeaufsichtigten Hofläden
überall auf dem Land, wo die Kunden den korrekten Preis für die Erzeugnisse
bezahlen, die sie mitnehmen. Das Grundprinzip lautet Ehrlichkeit. In der
Schweiz gibt es keinen Quellenabzug, die Lohnsteuer wird also nicht gleich
einbehalten (außer bei Einwanderern, die noch keine fünf Jahren hier leben),
denn damit würde sich die Regierung in die Privatsphäre der Bürger drängen.
Außerdem wäre er schwer durchführbar, weil nur ein geringer Teil der
(niedrigen) Steuern an den Bund gehen. Wie viel Einkommenssteuer man zahlt,
hängt nicht nur von der Höhe des Gehalts ab, sondern auch vom Wohnort, denn
jede Gemeinde legt ihren Steuersatz selbst fest. Wer umzieht, und sei es im
selben Kanton, zahlt oft einen anderen Satz, auch wenn der Verdienst gleich
bleibt. Schön, wenn man in einem Ort mit niedrigen Steuern wohnt, weniger schön
für die Städte mit vielen Pendlern. All die Leute, die täglich mit Tram und
Auto unterwegs sind, zahlen ihre Steuern an ihrem Wohnort und nicht dort, wo
sie arbeiten.
    Da die Steuern nicht einfach einbehalten werden,
müssen alle, auch Geringverdiener, eine Steuererklärung ausfüllen, denn Steuern
sind ab dem ersten verdienten Rappen zu bezahlen. Sie werden auch auf Vermögen
erhoben; für arbeitslose Immobilienbesitzer werden also dennoch Abgaben fällig.
Der Vorteil ist, dass es legale Maßnahmen aller Art gibt, die Steuerbelastung
zu mindern. Wer eine Hypothek abbezahlt, sein Haus streicht, mit dem Zug zur
Arbeit fährt, für wohltätige Zwecke spendet oder hohe Arztrechnungen hat, kann
einiges von der Steuer absetzen. Das i-Tüpfelchen ist das Mittagessen. Jeder
Arbeitnehmer kann 15
Franken pro Tag veranschlagen, wenn er außer Haus speisen muss, erhält also
einen Essenszuschuss vom Finanzamt.
    Das Schweizer Steuer- und Banksystems funktioniert
nur, weil die Regierung darauf vertraut, dass die Steuerzahler ehrlich sind.
Solange man nicht lügt (das wäre Betrug), kann man schon mal mit der Wahrheit
knapsen und ein Bankkonto vergessen (das ist nur

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