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Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Titel: Der Schwimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zsuzsa Bánk
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Kirchtürme und den See, auf den sich die Flocken gesetzt hätten. Mein Vater sagte, kein Schnee könne einen See bedecken, weil er schmelze, sobald er das Wasser berühre, und Ági erklärte, nie, nie habe es hier Schnee gegeben, schon gar kein Treiben, und es war, als ärgere sie sich über Zoltán, weil er so geredet hatte.

    Selbst wenn es jetzt klingt, als hätte es nicht sein können: Schon in unserem ersten Winter am See fiel Schnee, und Virág weckte uns nachts, nachdem sie die Flocken von ihrem Bett aus gesehen, ihre Decke zur Seite geschlagen, ihren Mantel übers Hemd gezogen hatte, hinausgegangen war auf die Veranda, hinunter in den Garten, und sich den Schnee hatte auf die Knie, auf die nackten Füße fallen lassen, ohne dabei zu frieren. Virág war zu uns unters Dach gestiegen, hatte geflüstert, ich will euch etwas zeigen, und Isti hatte nach seiner Jacke gegriffen, nach seinen Schuhen und war die Stufen hinuntergestürzt. Bevor er die Tür zur Terrasse öffnete, standen wir eine Weile still und schauten hinaus in die hellblaue Nacht, ohne uns zu rühren, vielleicht, weil der Schnee vor dem Fenster etwas war, das wir vergessen hatten und jetzt zurückgekehrt war, zu Isti und zu mir.

    Draußen vor der verriegelten Sommerküche lief Isti dem Schnee hinterher, streckte seine Zunge vor und versuchte, Flocken aufzufangen. Nach was schmecken sie?, fragte Virág, und Isti antwortete, nach Spitzli, nach besonders gutem Spitzli, und Virág fragte, was soll das sein: Spitzli?, und Isti lachte so laut wie selten und sagte, ich weiß es nicht, irgendwas wird es sein. Und dann streckte Virág ihre Zunge vor, sagte, mmh, diese Spitzli, köstlich, es gibt nichts Besseres als Spitzli, breitete ihre Arme aus, drehte sich im Kreis, dreimal, viermal, und sagte wieder und wieder, köstlich, diese Spitzli. Als genügend Schnee gefallen war, kneteten wir Bälle und warfen sie über die leeren Weinstöcke in Richtung See. Isti warf am weitesten, weil Virág und ich ihn gewinnen ließen, und als er das ahnte, sagte er, er spucke auf einen geschenkten Sieg. Er sagte es wirklich so: Ich spucke auf einen geschenkten Sieg.

    Wir gingen hinunter zum Wasser, setzten die ersten Spuren in den Schnee, und Isti lief immer wieder ein Stück zurück und wieder ein Stück vor, um noch mehr Spuren zu hinterlassen. Er lief Kreise und Schleifen und Vierecke und Dreiecke und Os und Us und Achten und Sechsen und alles, was ihm sonst noch einfiel, und Virág fragte, ob er nicht auch das Haus am See einkreisen oder in ein Quadrat setzen wolle, und Isti antwortete, ja, warum nicht. Mihály sei da, seit langem wieder das erste Mal, das habe sie unten im Dorf gehört, gestern abend sei er angereist, jemand habe ihn im Wagen mitgenommen und vor seiner Haustür abgesetzt, und ein wenig klang Virág so, als habe sie Angst, Mihály könnte doch nicht gekommen sein. Isti lief um das Haus herum, setzte Linien und Punkte und Striche in den Schnee, stellte sich irgendwann auf den Vorsprung unter Mihálys Fenster und klopfte an die Läden, erst leise, dann etwas lauter. Virág stand hinter uns, fast zu weit, um noch zu uns zu gehören, den Kopf gesenkt, die Hände zusammengelegt, und erst, als wir glaubten, Isti schlage gegen die Läden eines leeren Zimmers, öffnete Mihály. Er sah nicht aus, als habe er geschlafen, auch nicht, als sei er überrascht, daß wir nachts an sein Fenster klopften, um zu sagen, Mihály, es schneit.

    Er schenkte Virág einen Blick, der länger dauerte als sonst und etwas von ihm zeigte, das wir noch nicht kannten, das wir noch nie an ihm gesehen hatten. Dann nahm er Stiefel, Mantel und Mütze und kletterte zu uns hinaus. Isti lief zum Ufer und blieb stehen, dort, wo das Wasser züngelte, legte seinen Kopf in den Nacken, schloß die Augen und ließ den Schnee auf sich fallen. Ein bißchen sah er aus wie ein Sonntagskuchen, auf den man durch ein Sieb Puderzucker streut. Er zog Schuhe und Strümpfe aus, steckte seine Zehen ins Wasser und drehte sich zu uns, als wolle er sagen, es ist zu kalt zum Schwimmen. Mihály fragte, ob wir mit dem Boot hinausrudern wollten, bis zur Mitte des Sees?, und schaute dabei bloß Virág an. Ja, der Schnee sieht dort anders aus, sagte Virág, es wäre hübsch, vom See aus auf die Hügel zu schauen, darauf, wie der Schnee sie langsam zudeckt.

    Mihály zog das Boot näher, das neben der Treppe aus Blech auf dem Wasser tanzte, ließ uns nacheinander hineinspringen, folgte uns, löste das Seil und

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