Der Schwimmer: Roman (German Edition)
mit dem Gesicht zur Wand und zeigte ihr den Rücken. Ági brachte ihm mittags das Essen, das er stehen ließ und das nachmittags, wenn ich es wegtrug, so kalt und hart war, als hätte man es auf Eis gelegt. Mein Vater hörte uns nicht, wenn wir gegen die Scheiben schlugen, wenn wir an die Tür klopften, und er hörte Ági nicht, wenn sie jammerte, es ist zu kalt, Kálmán, hör auf, den Dummkopf zu spielen.
Virág erklärte, Post hat er bekommen, eure Großmutter hat ihm geschrieben, im Westen ist sie gewesen, um eure Mutter zu besuchen, und Isti fragte, in welchem Westen? Am nächsten Sonntag würde sie den Vormittagszug nach Siófok nehmen, an der Fähre sollten wir sie abholen, und Isti sagte leise, fast als wolle er, daß wir es nicht hörten, er habe gewußt, Großmutter würde kommen, der Schnee habe sie angemeldet, die Flocken hätten es ihm gesagt. Virág sorgte dafür, daß mein Vater am Sonntagmorgen aufstand und mit ihr hinunter zum See ging. Bis zum Haus hörten wir ihre Stimme, die sich hob und senkte, und mit der sie brüllte, ich sehe doch, wie du frierst, Kálmán, und wir, Isti und ich, wir hatten gar nicht gewußt, daß Virág das konnte, brüllen.
Von der Dachluke aus sahen wir sie später den Hügel hochsteigen. Mein Vater trug vor seiner Brust mit beiden Händen den Koffer meiner Großmutter, um den sie einen Ledergürtel gebunden hatte. Virág ging in der Mitte und hielt einen großen schwarzen Schirm über ihre Köpfe. Als sie vor der Verandatür standen, mit nassen Strümpfen, die an den Beinen klebten, gossen sie Wasser aus ihren Schuhen, und Zoltán schimpfte, was bringt ihr das Seewasser hoch zu uns. Meine Großmutter zog den Mantel aus, löste ihr Tuch, in das sie ein bißchen weinte, drückte Isti und sagte, Isti hat immer noch Farbe, gut sieht er aus, und wir anderen standen dabei und sagten nichts.
Ági servierte Kuchen, Virág brachte heißen Tee, Zoltán schenkte den ersten süßen Schnaps ein und leckte die Tropfen vom Flaschenhals, bevor er den Verschluß wieder aufsetzte. Isti ließ unserer Großmutter keine Ruhe. Er hatte an ihrem Mantel gezerrt, jetzt zupfte er am Ärmel ihres Kleides, und als sie am Tisch saß, nahm er ihr die Gabel aus der Hand und fragte, wann kommt sie? Erst als unsere Großmutter antwortete, sie kommt nicht, wurde Isti ruhiger. Ági legte Kuchen auf seinen Teller, wie zur Belohnung, Isti verschränkte die Arme hinter dem Rücken, streckte sein Kinn vor, biß in den Kuchen, kaute so, daß wir hören konnten, wie er die Zähne aufeinanderschlug, leckte sich lange über die verschmierten Lippen, warf seinen Kopf in den Nacken und heulte wie ein Wolf, bis mein Vater ihn ohrfeigte, und dann fing Isti an zu weinen. Meine Großmutter sah zu Boden, Ági polierte ihren Ring, Zoltán goß Schnaps nach, obwohl noch niemand getrunken hatte, und Virág schaute zu meinem Vater, als wolle sie ihn auch ohrfeigen. Später räumte sie alles bis auf die Teetassen ab. Zoltán gab in seinen Tee vier Löffel Zucker, die er langsam verrührte. Isti drängte Großmutter, und sie fing an, von unserer Mutter zu erzählen. Mein Vater verließ beim ersten Wort das Haus. Keiner versuchte, ihn zurückzuhalten. Ági sagte zu Isti, siehst du, was du angerichtet hast, und dann wurde es so still, wie es sonst nie war. Selbst Zoltán blieb ruhig und nickte, als verstünde er jedes Wort, das meine Großmutter sprach, und wenn sie eine Pause einlegte, hörten wir, wie Virág mit dem Zündholz über die Tischkante fuhr, um ihrem Vater Feuer zu geben.
Sie habe sich sehr über ihre Tochter gewundert, die jetzt so rede wie die Leute aus Budapest, nicht mehr wie jemand aus Vat. Sie lebe in einer kleinen Wohnung, in einem Mietshaus, das der Staat neu gebaut habe, mit vier, fünf Stockwerken, weit vor den Toren der Stadt, in die sie jeden Morgen lange mit einer Straßenbahn fahre. Es gebe dort kaum Bäume, nicht an den Wegen, wie bei uns, auch nicht zwischen den Häusern, ein paar wenige habe man im Herbst gepflanzt, aber die habe schon der erste Wintersturm weggetragen, da war sie sich sicher. Zwischen den Häusern sei Erde aufgeschüttet, ohne Pflanzen, ohne Gras, und jedesmal wenn es regnete - und es regne häufig, zu häufig -, müsse man in Gummistiefeln vom Haus bis zur festen Straße laufen und dort die Schuhe wechseln. In den Wohnungen habe man Gummibäume, bunte Böden aus Kunststoff, unter den Zimmerdecken Kreise aus Neon, und die Wände seien beklebt mit Streifentapeten, Tapeten mit
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