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Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Titel: Der Schwimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zsuzsa Bánk
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nur, um ihnen zu zeigen, daß sie jemanden brauchten, der sie weiterführte. Meine Mutter drehte sich um, sah den Fremden an und versuchte, etwas in seinem Gesicht zu finden, das ihr die Angst hätte nehmen können. Als er wieder loslief, hakte sich meine Mutter bei Vali unter und befahl ihr, weiterzugehen, immer weiterzugehen und sich nicht umzudrehen. Dort, wo der Weg hinausführte zu den Feldern, sprach der Bauer sie schließlich an, vielleicht schon aus Mitleid, und dieses eine Mal war meine Mutter nicht entsetzt, daß ein Fremder es wagte, sie anzusprechen. Er sagte, er kenne die Felder, und für das Geld, das sie bei sich hatten, würde er sie nachts über diese Felder in den Westen bringen, wenn es das sei, was sie wollten, und meine Mutter und Vali schauten um sich, und da standen noch etwa zehn andere Männer und Frauen und Kinder, und alle nickten dem Bauern zu und nahmen ihr Geld aus den Taschen, um es ihm zu geben.

    Vali zweifelte daran, ob er wie vereinbart zurückkommen würde, jetzt, da er sein Geld schon hatte, aber am Abend fing er sie doch am Dorfende ab, wo er gewartet hatte, mit einer Zigarette in seiner rechten Hand. In der Dunkelheit hatten sie die Glut und den Rauch sehen können, den er so in die Luft blies, als wolle er ihnen ein Zeichen geben, obwohl sie keines vereinbart hatten. Hinter den letzten Häusern verschwand er mit ihnen und wenig später in den Feldern, auf denen die Erde vom ersten Frost hart war. Meine Mutter trug ihre besten Schuhe, Schuhe aus hellem Wildleder, mit Absätzen, aus einem kleinen Geschäft in Pápa, das im Herbst zwei Modelle führte, und so lief sie über die Maisfelder, über die letzten Maisfelder unseres Landes, über Reste von Kukuruz, die trotz der späten Jahreszeit aus dem Boden ragten. Sie blieb mit ihren Strümpfen hängen, die Strümpfe rissen, sie blieb mit ihren Füßen stecken, die Schuhe lösten sich von ihren kalten Füßen, und meine Mutter kniete sich nieder und tastete mit den Händen nach ihnen. Nicht einen Laut gab sie von sich, wenn sie sich in dem, was auf den Feldern zurückgeblieben war, verfangen hatte. Aber sie wünschte sich, niemals in diesen Zug gestiegen, niemals diesem Fremden gefolgt zu sein, und sie schickte Stoßgebete, jedesmal wenn sie sich auf den Boden werfen mußte, weil der Lichtkegel eines Scheinwerfers über ihren Kopf gefegt war.

    In der Dunkelheit, die vom Licht eines halben Mondes kaum durchbrochen wurde, rutschte sie immer wieder, stolperte, fiel auf ihre Hände, auf ihre Knie, auf ihr Gesicht. Vali zog sie am Gürtel ihres Mantels hoch und schimpfte, und der Bauer drehte sich um und legte einen Finger auf seinen Mund. Meine Mutter achtete auf kaum etwas in dieser Nacht. Nicht auf den Himmel über ihr, sternklar, wie seit Wochen nicht mehr, nicht auf die Kälte, nicht auf die Fremden vor ihr und hinter ihr, die nah beieinander blieben. Nur auf ihre Füße schaute sie, achtete darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen, ohne ihre Schuhe zu verlieren, und in Erinnerung blieb ihr allein das Reißen ihrer Strümpfe.

    Als sie das letzte Maisfeld hinter sich ließen und unter wenigen Bäumen weitergingen, über ein Stück Erde, das niemandem mehr zu gehören schien, mußten sie sich noch einmal auf den Boden werfen. Ein Streifen aus Licht fuhr über die Felder, erst schnell, dann langsamer, kam vor ihnen zum Stehen, tauchte alle in ein mattes Gelb, und meine Mutter konnte jetzt jedes Haar auf Valis Mantel sehen. Sie lagen auf der Erde wie etwas, das man nach der Ernte nicht in die Scheunen gebracht hat und das beim nächsten Sturm vom Wagen fällt, über die Straße rollt und liegenbleibt, etwas, das erst später aufgesammelt wird, erst, wenn sich der Sturm legt. Ein Mädchen fing an zu flüstern, und es hörte sich an, als wollte es etwas aufsagen, einen Vers, einen Reim. Meine Mutter streckte eine Hand nach ihm aus, das Mädchen ergriff sie, und später sagte Vali, der Mond habe in diesem Moment ausgesehen, als sei er bloß festgesteckt mit ein paar Nadeln und könne jeden Augenblick hinunterfallen.

    Sobald sich der Lichtkegel wieder bewegte, zurück über die Felder, standen alle auf das Kommando des Bauern hin auf, klopften sich den Schmutz von den Kleidern und liefen weiter, bis zu einem Baum, an dem der Bauer stehenblieb und seine Arme nach Westen hin ausbreitete. Vali nahm etwas Erde in ihre Hände, zerbröselte sie vor den Augen aller und ließ sie fallen, und der Bauer zeigte darauf und sagte, das ist

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