Der Schwimmer: Roman (German Edition)
Tamás und Mihály gesehen hatte, als sie Ágis Sommerküche gestrichen hatten. Wenn Isti sich dann an die Hauswand lehnte, mit dem leeren Glas in der einen, dem Werkzeug in der anderen Hand, und dabei schwer und laut atmete, damit wir es hörten, fragte Tamás, es dauert lange, bis man diese Treppe wieder ins Wasser lassen kann, nicht?, und dann lachten wir, und Isti lachte mit uns, und er antwortete, ja, es braucht seine Zeit, was glaubt ihr denn? Isti wollte, daß es so lange dauerte, bis man die Treppe wieder ins Wasser lassen würde. Auf irgendeine Weise mußte er die Zeit füllen, irgendwie mußte er sie überbrücken, bis er wieder schwimmen durfte, und wie war ihm gleich.
An einem Sonntag, unten am See, nachdem wir vom Mittagstisch aufgestanden waren und die anderen ihren Kaffee im Stehen tranken, sprang Isti zum ersten Mal ins Wasser, obwohl alle gemahnt hatten, er dürfe nicht, niemand bade um diese Jahreszeit. Isti hatte sich ausgezogen, als wir uns umgedreht hatten, um auf die Weinberge ringsum zu schauen, als Ági etwas gesagt hatte wie, schon grün, diese Hügel. In Sekunden hatte er Hemd und Hosen abgestreift, um ins Wasser zu springen, und wir drehten uns um und schauten auf ihn, als er untertauchte, hochkam, schnaubte und die ersten Stöße schwamm, hastig, ungeduldig, immer noch wie ein Hund mit einem Stein am Fuß, vielleicht wegen der Kälte, vielleicht, weil er gar nicht anders schwimmen konnte. Ági schrie, jemand muß ihn aus dem Wasser holen, und Mihály rief, komm sofort zurück!, und es sollte streng klingen, aber es klang nicht streng, es gelang Mihály nicht, streng zu klingen, es hörte sich eher so an, als müsse er sein Lachen verbergen. Virág streifte ihre Schuhe ab, sprang ins Boot, um Isti aus dem Wasser zu ziehen, und Tamás eilte ins Haus und holte Handtücher. Als Isti wieder am Ufer stand und Virág ihn abtrocknete, schimpfte Ági und drohte Isti, sie werde seinem Vater alles sagen, daß er nicht auf sie höre, daß er in den See springe, zu dieser Jahreszeit, daß er sich benehme wie ein Schwachkopf. Isti schaute zu Boden, fast sah es aus, als schäme er sich, und dann erwiderte er, ohne seinen Kopf zu heben: Es wird ihm egal sein.
Einen Augenblick lang blieb es still, und alles, was wir hörten, war Istis Atem, der zu flattern schien, vielleicht, weil Isti fror, trotz der Handtücher, die Virág um seine Schultern gelegt hatte, vielleicht, weil er gesagt hatte, was er gesagt hatte, und weil wir glaubten, es sei die Wahrheit - wenigstens Isti und ich, wir glaubten es ganz sicher, wir wußten es sogar: Unserem Vater würde es egal sein. Mihály schaute auf die Wellen unter unseren Füßen, wie sie an Steine schlugen und brachen, und da noch immer niemand etwas sagte, fragte er - vielleicht bloß, um die Ruhe zu unterbrechen, vielleicht bloß, um unseren Gedanken zu verscheuchen -, wer ist dieses Mädchen, das mit dir arbeitet? Virág drehte sich zu ihm und sah ihn an, als habe sie nicht verstanden, als habe sie sich verhört, als könne sie nicht glauben, was Mihály da fragte, aber er blieb dabei, er wiederholte seine Frage, wer ist dieses Mädchen, das mit dir arbeitet?, und dann antwortete Virág, in einem Ton, den wir noch nicht kannten: es ist Irén, warum?
Beim nächsten Mal nahm sie Irén mit zum Haus am See, aber so, wie man etwas tut, das man nicht tun möchte, zu dem man gedrängt wird, und dann saßen sie nebeneinander auf ihren Stühlen, unter einer Sonne, die blaß blieb an diesem Tag, Irén mit ihrer dunklen Brille, in einem Rock, der Falten warf, und Virág in ihren bestickten Hosen, mit hochgebundenen Haaren und einem Blick, der auf Mihály fiel, zu oft, um noch verborgen zu bleiben. Irén schloß sich uns jetzt an, wenn wir die Bäkkerei abends verließen, als sei es immer schon so gewesen, und dann liefen wir das kurze Stück zum Haus am See, Virág mit ihrem tanzenden Schritt, und Irén so, als sei es ein langer, ein mühsamer Weg bis dorthin. Tamás und Mihály ließen ihre Arbeit liegen, ihre Bücher, ihre Zeichnungen und Stifte, trugen Stühle und Liegen hinaus, und bis es dunkel wurde, saßen wir unter einem Baum, am Wasser, mit Irén neben uns, still, ängstlich vielleicht, wie jemand, der bislang nicht gewußt hat, daß man so zusammensitzen kann.
Irén trank weder Bier noch Wein, und sie aß wenig. Jedesmal wenn ihr jemand etwas anbot, am Tisch oder auf einem Tablett, draußen, am Wasser, sagte sie, nein, und nur wenn Irén nicht dabei war,
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