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Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Titel: Der Schwimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zsuzsa Bánk
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Lächeln, das verschwand, kaum, daß sie es gezeigt hatte. Bis Ladenschluß spielten die Brüder mit Isti, und wenn jetzt noch jemand kam, um Brot zu kaufen, gingen sie einen Schritt zur Seite, damit sich die Tür öffnen ließ. Mihály versteckte hinter seinem Rücken ein Stück Papier in einer Hand, ballte beide Hände zu Fäusten, hielt sie Isti vors Gesicht, und Isti zeigte auf eine Faust, Mihály drehte und öffnete sie, und immer war sie leer. Isti und ich, wir rätselten, was Mihálys Trick dabei war, und auf dem Heimweg zupfte Isti ein Blatt von einem Baum, versteckte es in einer Hand, und bevor er mir seine Fäuste vors Gesicht hielt, ließ er das Blatt verschwinden, in seiner Hose oder unter seinem Hemd, aber nie sah es so aus wie bei Mihály, irgendeine Bewegung verriet Isti immer.

    Solange Mihály und Tamás an der Theke lehnten, wischte Virág Regale ab und putzte das Glas der wenigen Vitrinen, was sie sonst nie tat. Sie zog die Schublade mit dem Geld auf, wühlte in den Münzen, schloß die Lade wieder, stieg auf ein Treppchen mit drei Stufen aus dunklem Holz, öffnete Schränke und Fächer, schob etwas von einer Seite zur anderen, schob es wieder zurück, kletterte das Treppchen hinunter und zog noch einmal die Lade mit den Münzen auf, als müsse sie in Bewegung bleiben, wie und mit was auch immer. Während Irén im hinteren Zimmer Geld zählte, nahm Virág ihre Haube ab, löste ihr Haar, und Mihály und Tamás schauten sie dabei an, daß wir, Isti und ich, einen Augenblick lang glaubten, sie seien doch wegen ihr gekommen. Isti durfte jetzt das Schild ins Fenster hängen und die Tür abschließen. Draußen steckte Irén den Schlüssel ein, sah noch einmal durchs Fenster, um zu prüfen, ob alle Lichter gelöscht waren, und dann schlenderten wir zum Wasser, Virág zwischen Tamás und Mihály, deren Gesichter von der Sonne dunkelrot geworden waren, Irén immer wenige Schritte hinter ihnen, neben Isti und mir, ausgerechnet neben Isti und mir.

    Am ersten Strand, zwischen Schilf und Steinen, warteten wir, bis sich die Sonne senkte, den See dunkler färbte und den letzten Streifen Licht auf das Wasser setzte, und immer zeigte einer von uns auf die Wellen und sagte: Goldtreppe, oder: Himmelsleiter. Tamás und Mihály lagen auf dem Rücken, zählten Wolken, laut, zwanzig, einundzwanzig, Isti sprang ins Wasser und schwamm seine Bahnen. Das Plätschern des Wassers klang an solchen Abenden anders als sonst, fast wie ein Schneiden. Virág tat so, als beobachte sie Isti, aber ich konnte sehen, daß sie bloß auf die Wellen schaute, vorbei an Isti, mit einem Blick, mit dem sie sonst nur ins Nichts, ins Leere gestarrt hatte, noch im Sommer zuvor, vielleicht schon früher, jedesmal wenn Tamás und Mihály sich verabschiedet hatten und mit ihren Taschen auf dem Rücken in Richtung Anlegestelle gelaufen waren. Wenn Virág dann ihr Kleid, ihre Schuhe auszog, blieben die Blicke der Brüder auf ihrer Haut hängen, irgendwo zwischen Schultern und Beinen, und spätestens wenn Virág barfüßig über Steine balancierte und mit ausgestreckten Armen ins Wasser glitt, fand Irén einen Vorwand, warum sie nicht länger bleiben konnte. Tamás sprang auf, bot ihr an, sie nach Hause zu begleiten, und Mihály sagte, auch er würde sie gerne zurückbringen, und Irén stand zwischen beiden, schaute sie an, erst Mihály, dann Tamás, und sah dabei aus, als sei es ihr lästig, als wolle sie lieber allein gehen, allein bleiben, mehr noch, als wolle sie uns alle lieber nicht kennen und von nichts, von niemandem gestört werden, schon gar nicht von Mihály oder Tamás, aber dann sagte sie plötzlich doch: gut, gehen wir.

    Wer schneller war, Mihály oder Tamás, brachte sie nach Hause, trug ihre Tasche, begleitete sie bis zum Zaun, bis ans Gartentor, und schaute ihr von dort aus nach, wenn sie über den Hof lief, vorbei an Kastanien, die längst schon grün waren, und wartete so lange, bis das Licht in der Küche anging, so wie wir es im Winter getan hatten. Jedenfalls stellte ich es mir so vor. Vielleicht standen sie auch eine Weile am Zaun, vor dem Tor, neben dem Graben. Und weil Tamás oder Mihály, je nachdem, wer an diesem Abend mitgegangen war, wußte, Irén würde ihn nicht ins Haus bitten, versuchte er, den Abschied hinauszuzögern, mit einer Frage, noch einer Frage, mit zwei Sätzen, die ihm noch einfielen, wenn Irén schon ihre Hand auf den Türgriff gelegt hatte. Vielleicht waren sie manchmal auch schon vorher, irgendwo auf

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