Der Schwimmer: Roman (German Edition)
Zeit des Jahres putzten, weil es sonst nichts zu tun gab. Warum jetzt?, fragte Zsófi, als hätte es für Jen einen besseren, einen richtigen Zeitpunkt geben können, um dieses Haus zu verlassen, und mit ihm alles, was Jenő bisher umgeben hatte. Wie Schnee lagen die Federn auf dem Boden, keiner hatte sie mehr angerührt, seit Jenő gegangen war, und Isti pustete in den Haufen, bis zwei, drei Federn hochstiegen, warf seinen Kopf in den Nacken, pustete wieder und wieder, bis die Federn zur Decke flogen und Zsófi und Anikó ihnen nachschauten.
Seit Jenő weg war, hatte Pista nicht mehr mit Zsófi gesprochen, auch nicht mit Anikó, als wolle er alle strafen, die weiter in diesem Haus wohnten - ohne Jenő. Ihnen gebe er die Schuld dafür, daß Jenő gegangen war, sagte Zsófi, wo sie doch keine Schuld hätten, wenigstens nicht mehr als Pista selbst, der Jenő, seinen erwachsenen Sohn, noch am letzten Tag am Ohr gezogen habe und jetzt den Heiligen spiele. Vielleicht rede er mit Karcsi, fuhr sie fort, Karcsi, der nach Pista sehe, wann immer er Zeit habe, der bei ihm sitze, hinter dem Gemüsegarten, in der Gartenlaube, wo Pista schlief, seitdem Jenő weg war, weil er nicht länger in einem Haus schlafen wollte, in dem es Jenő nicht mehr gab. Trotz der Kälte blieb Pista in der Laube, sagte Zsófi, unter einem Dach, das den Regen durchließ, auf einer Liege, die sie schon vergangenen Winter habe ins Feuer werfen wollen. Auch in den letzten Tagen habe er dort geschlafen, trotz dieses Regens, der so lange gefallen sei, bis er den Schnee weggeschwemmt und alles, den Garten, das Haus, den Hof und den Himmel darüber, in ein einziges großes Grau getaucht habe. Und jetzt, wenn Zsófi durchs Küchenfenster rief, Pista, du kannst nicht in der Gartenlaube schlafen, nicht im Winter, nicht in diesem Winter, erwiderte Pista nichts, er zischte nicht mal mehr durch die Zähne. Er lief über den Hof, durch den Garten, über einen Weg aus Steinplatten, der die Beete zerteilte, bis zur Laube, blieb unter dem Vordach stehen, drehte seinen Kopf zu uns und schaute uns an, als gäbe es uns nicht.
Als Zsófi sicher gewesen war, Jenő würde nicht mehr zurückkommen, hatte sie in der Nacht darauf angefangen, sich zu kratzen, und wir, wir konnten sie hören, nachts, wenn wir im Zimmer nebenan in den Betten lagen und Zsófi in der Küche an ihren Beinen kratzte, vor dem kleinen Altar, den sie nicht mehr verließ. Morgens zog Anikó Zsófis Rock bis zu den Knien und die Ärmel ihrer Strickjacke hoch, um uns zu zeigen, wie sehr sich ihre Mutter gekratzt hatte, und Zsófi seufzte und stöhnte und tat, als könne sie nichts dafür, als werde sie gezwungen, es zu tun, von irgendwem, durch irgendwas, und Isti sagte zu mir, Pista schläft in der Gartenlaube, weil er dieses Kratzen nicht länger hören will, und ich, ich will es auch nicht hören.
Zsófi erzählte, Jenő sei so anders gewesen gegen Ende. Am Tag habe er vor dem Regal mit den Büchern gelegen und gesagt, die Buchstaben zögen sich zusammen, sie würden winzig, und jedesmal wenn er hinschaue, sprängen sie von den Buchrücken, und jetzt wisse er, sie bewegen sich, sie hüpfen. Dieses springende S, das sich ans Ende des Wortes gesetzt habe, könne er nicht vergessen, hatte Jenő gesagt, und Zsófi hatte geschrien, er solle aufhören mit diesen Dingen, die ihr den Kopf verdrehten, und jetzt sagte sie, nie hätte sie Jenő so anschreien dürfen. Jenő sei immer mit derselben Frage, die er laut vor sich hersagte, durchs Zimmer gelaufen, er habe gefragt, ob es sich gelohnt habe zu sterben, und Zsófi wußte nicht, was er gemeint, von was er gesprochen habe, und es nicht zu wissen bringe sie um den Verstand, an nichts anderes denke sie mehr. Hier, diese Bilder habe Jenő gesammelt, sagte Zsófi, klappte ein Buch auf und zeigte uns Bilder, die jemand aus der Zeitung geschnitten und zwischen die Seiten gelegt hatte, und wir wunderten uns, woher Jenő diese Bilder hatte, von diesen großen Köpfen aus Stein, die zwischen Trümmern auf einer Straße lagen.
Jenő hatte sich nicht verabschiedet, und Zsófi hatte ihm nicht nachschauen können, an einer Straße, an einem Bahnsteig oder auch nur von ihrem Fenster aus. Auf sein leeres Bett hatte sie gesehen, am Morgen, als sie glaubte, Jenő sei bloß über Nacht weg und komme wieder, spätestens gegen Mittag. Nichts habe Jenő mitgenommen, außer einer weißen Taste, die er mit einer Stange aus dem Klavier gebrochen habe, und Isti ging zum
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