Der Schwur der Ritter
letztlich in Frankreich und möglicherweise auch anderswo zu unserem Ende geführt hat. Natürlich werden offiziell andere Gründe dafür genannt werden, doch im Grunde haben wir unseren Untergang selbst heraufbeschworen, weil wir den Menschen guten Grund gegeben haben, uns mit Neid und Abneigung zu betrachten. Und diese Männer, die hier vor uns stehen, verkörpern durch ihre Taten das, was unseren Orden seine Grundtugenden und sein Ansehen gekostet hat. Daher möchte ich euch diesen einen Rat geben: Natürlich ist es möglich, vergangene Missetaten zu vergeben, doch denkt ebenfalls daran, was für ein Zeichen ihr für die Zukunft setzt. Und nun ziehe ich mich zurück und übergebe die östliche Kanzel an Kommandeur de Montrichard.«
3
W
ILL VERLIESS DAS Podest und durchschritt den Raum, um sich in die Kammer auf der Galerie zu begeben. Dort hatte Tam Sinclair gerade frisches Brennholz nachgelegt. Tam hielt inne und sah Will blinzelnd an.
»Nun, wird man sie einmauern lassen?«
»Glaubt Ihr, das sollte man?«, gab Will zurück.
»Es steht mir nicht zu, das zu sagen, doch ich glaube, dass ein Mann etwas wirklich Schreckliches getan haben müsste, um eine solche Strafe zu verdienen. Ich kann mir keine schlimmere Art zu sterben vorstellen. Und das nur, weil sich jemand den Bart nicht rasieren wollte?«
Will verharrte einige Momente regungslos, bevor er den Kopf schüttelte. »Nein. Nein, nein, nein, Tam, das hat wenig damit zu tun. Es ist nicht der Bart, um den es hier geht. Es ist das Aufbegehren – die Arroganz, der Stolz, das Beispiel, das sie den anderen mit ihrem wissentlichen Ungehorsam geben. Das muss im Keim erstickt werden, bevor es sich weiter ausbreitet. Aber ich glaube nicht, dass man sie zu mehr als einer Kerkerstrafe verurteilen wird. Wir werden ja sehen, wie die Brüder entscheiden.«
Doch als Will nach weniger als einer Stunde in den Versammlungsraum zurückgerufen wurde, legte er keinerlei Neugier über den Ausgang des Prozesses an den Tag. Er sah nur, dass man die Gefangenen abgeführt hatte. Auf dem östlichen Podest stand der Präzeptor, der darauf wartete, Will den Platz auf der Kanzel wieder zu überlassen, doch Will nickte ihm höflich zu und bat ihn, an seiner Seite Platz zu nehmen. Dann winkte er der Bruderschaft, sich gleichfalls zu setzen.
»Brüder, was ich euch jetzt sage, verkünde ich in Ausübung des Amtes, in das mich unser Großmeister berufen hat. Schon am Tag unserer Ankunft habe ich euch meine Wünsche in Bezug auf euer künftiges Verhalten kundgetan. Jetzt wiederhole ich sie als offizielle Anweisungen. Robert Bruce, der König von Schottland, hat uns hier Zuflucht gewährt. Im Gegenzug bin ich in unser aller Namen eine moralische Verpflichtung eingegangen, König Robert gilt für die Kirche Roms als exkommuniziert, doch die wichtigsten Bischöfe Schottlands stehen nach wie vor unbeirrt an seiner Seite und glauben fest daran, dass man die Exkommunikation eines Tages aufheben wird. Unsere Anwesenheit hier auf dieser Insel stellt nun eine große Bedrohung für die Bemühungen des Königs dar, Frieden mit seinen Feinden zu schließen, denn auch wir sind ja Opfer der päpstlichen Ungnade geworden, wissen wir doch, dass König Philipp unseren Orden mit dem Wissen und der Billigung des Papstes zu Fall gebracht hat. Daher wissen wir auch, was für eine Gefahr wir für König Robert bedeuten. Sollte bekannt werden, dass wir auf Arran sind und unter dem Schutz des Königs stehen, werden seine Feinde diese Tatsache ausnutzen, um Robert weiter in Misskredit zu bringen. Wenn es um Macht und Reichtum geht, sind der Korruption Tür und Tor geöffnet, und Roberts Feinden geht es nun einmal um Macht und Reichtum.«
Er hielt so lange inne, bis die Sitzenden begannen, einander anzusehen, doch als er weitersprach, richteten sich alle Blicke wieder auf ihn.
»Hier ist also meine Entscheidung, die ich in meinem Amt als Meister getroffen habe und die ich nun als Resolution verkünde, die von unserer Gemeinschaft zu befolgen ist: Von diesem Tag an wird der Orden der Armen Soldaten Christi und des Salomontempels vom Antlitz der Welt verschwinden. Wir müssen unsere Identität verbergen, zu unserem Schutz und zum Wohle König Roberts, unseres großzügigen Gastgebers. Das Verbot der Bärte ist daher ab sofort Gesetz, und dazu werden wir alle – mit Ausnahme der Bischöfe und ihrer Ministranten – die Mönchstonsur ablegen. Wir wissen, wer wir sind, wir kennen unsere Pflichten und unsere
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