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Der Schwur der Ritter

Der Schwur der Ritter

Titel: Der Schwur der Ritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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ebensolchen zu erkennen.
    Es ist meine feste Überzeugung, dass wir uns glücklich schätzen können, wenn uns am Ende der kommenden Säuberung auch nur der geringste Besitz bleibt. Das gesamte Vermögen des Ordens wird in den Schatztruhen des Königs und des Vatikans verschwinden. Daher werden die überlebenden Brüder gezwungen sein, sich wieder der Lebensweise zur Zeit der Ordensgründung zuzuwenden, als ein jeder Ritter allem Weltlichen abschwor, um die spirituelle Erleuchtung und Erlösung zu suchen. Unsere Tage in Frankreich sind gezählt, doch ich fürchte, dass auch die anderen Könige der Christenwelt Philipps Beispiel folgen werden.
    Auf all dies habe ich keinen Einfluss, Bruder William; ich stelle es nur fest. Ich selbst werde gemeinsam mit unserem Orden stehen oder fallen – in Frankreich, wo seine Wiege stand. Ich werde mich allem unterwerfen, was man gegen mich vorbringt, ganz gleich, für wie begründet ich es halte.
    Eines jedoch liegt noch in meiner Jurisdiktion und in meiner Macht, während ich diese Zeilen verfasse: die Autorität innerhalb des Ordens zu delegieren, wie ich es für richtig halte. Zu diesem Zweck liegt diesem Schreiben ein Ernennungsbrief bei, der von den ranghöchsten Ratsmitgliedern bezeugt worden ist und mein offizielles Siegel trägt, und der unseren getreuen Mitbruder Sir William Sinclair, Ritter des Ordens der armen Soldaten Christi und des Salomontempels, zum Meister dieses nämlichen Ordens ernennt, und zwar in Schottland oder wo immer sich der nämliche William Sinclair am Ende seiner Reise wiederfindet, sofern er nach wie vor unter Rittern und Sergeanten unseres Ordens weilt und den Traditionen dieses Ordens treu ergeben bleibt.
    Diese Urkunde liegt diesem Brief bei. Lest sie in der Versammlung vor, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, und seid Euch meines Segens gewiss. Möge der Gott unserer Väter über Euch wachen und Euch und die Euren beschützen.

    Euer ergebener Bruder, am siebten Oktober
    Anno Domini 1307
    Jacques de Molay, Ritter und Großmeister

    ZUNÄCHST REGTE SICH niemand, nachdem de Pairaud verstummt war, und es herrschte völlige Stille. Dann erhob sich irgendwo unter den Männern ein Geräusch, das ebenso unverkennbar wie selten war: Einer der Ritter begann, sich mit der rechten Hand gegen das Bein zu schlagen; andere fielen im Takt ein, und schließlich applaudierte die gesamte Versammlung, ein Geräusch, das umso eindrucksvoller wirkte, als es vom metallischen Trommeln ihrer Rüstungen begleitet wurde.
    Will wurde zum dritten Mal in seinem Leben Zeuge solchen Beifalls, doch bis jetzt war er immer unter den Applaudierenden gewesen. Diesmal überlief ihn ein Schauer, denn heute galt diese seltene Ehre ihm. Gleichzeitig jedoch fiel es ihm zu, die Versammlung zur Ordnung zu rufen, und so hob er schließlich die Arme und war froh zu hören, wie das rhythmische Trommeln allmählich leiser wurde, bis es ganz verstummte. Erwartungsvolle Augen blickten ihm entgegen, und im ersten Moment verschlug es ihm die Sprache. Doch dann wusste er plötzlich, was er sagen musste. Er räusperte sich und begann laut und deutlich.
    »Eine Zusammenkunft wie diese, Brüder, hat es noch nie gegeben. Selbst in den schlimmsten Wirren der Feldzüge in Outremer ist es noch nie vorgekommen, dass eine Präzeptur an einem fremden Ort Wurzeln schlagen musste und keine höhere Autorität innerhalb des Ordens um Rat ersuchen konnte. Wir sind hier allein, Brüder, an einem Ort und in einer Situation, die noch vor einem halben Jahr unvorstellbar gewesen wäre, und wir müssen uns selbst organisieren und regieren. Und genau damit müssen wir hier und jetzt beginnen.«
    Er hielt inne und warf einen bedeutungsvollen Blick zu den Gefangenen hinüber, dann fuhr er fort.
    »Doch bevor wir mit der Verhandlung beginnen, gilt es, den Auftrag des Großmeisters zu verlesen, der in seinem zweiten Brief enthalten ist.« Er wandte sich an de Pairaud. »Bruder Reynald, würdet Ihr bitte das Siegel des Großmeisters öffnen und der Versammlung seine Worte vorlesen?«
    De Pairaud nickte knapp, bevor er den zweiten Brief ergriff und das Siegel aufbrach, sodass man die Wachssplitter auf den Holzboden fallen hören konnte. Er hielt das Pergament vor sich hin und entrollte es; dann ließ er kurz den Blick darüber schweifen, räusperte sich und begann zu lesen.

    An alle Brüder und Anhänger des Ordens der Armen Soldaten Christi und des Salomontempels und an alle Menschen, ganz gleich welchen Ranges und welcher

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