Der Schwur der Ritter
Position:
Wisset, dass ich, Jacques de Molay, der dreiundzwanzigste Großmeister des erwähnten Ordens, mit der vollen Unterstützung des Obersten Ordensrates hiermit verkünde, dass unser hoch angesehener Bruder Sir William Edward Alexander Sinclair zu Roslin in Schottland in den Rang des Meisters in Schottland erhoben wird.
Wisset darüber hinaus, dass ich, sollte es dazu kommen, dass ich gemeinsam mit meinen Ratsbrüdern in Frankreich an der weiteren Amtsausübung gehindert werde, den erwähnten William Edward Sinclair, Meister in Schottland, in das Amt und den Dienst des Großmeisters erhebe, womit er der vierundzwanzigste Inhaber dieser hohen Position würde.
So soll es sein.
Von meiner Hand verfasst am vierten Oktober
Anno Domini 1307
De Molay, Großmeister
WILL SINCLAIR WAR wie vom Donner gerührt. Die Ernennung zum Meister war schon eine Ehre, die er sich niemals hätte träumen lassen, doch die Erhebung auf den Thron des Großmeisters war im ersten Moment kaum zu glauben …
Nüchtern betrachtet war sie allerdings schlicht die größtmögliche Geste, mit der ihm de Molay den Rücken stärken konnte.
Der Applaus begann erneut, doch diesmal bat Will sich mit einer abrupten Handbewegung Ruhe aus.
»Ich danke euch für eure Unterstützung, Brüder«, sagte er, »doch noch ist es nicht so weit. Noch gehen wir davon aus, dass Großmeister de Molay und die anderen Offiziere unseres Ordens bei bester Gesundheit sind. Es ist jetzt fast einen Monat her, dass wir vier unserer Handelsschiffe nach Frankreich geschickt haben, und ich rechne täglich mit ihrer Rückkehr. Erst wenn wir Genaueres wissen, können wir reagieren. Bis dahin haben wir hier genug zu tun – und wir beginnen mit einer ernsten Angelegenheit.«
Er wies mit der Hand auf die Gefangenen zu seiner Linken, ohne sie anzusehen.
»Meuterei und Ungehorsam.« Die Worte hallten in der Stille wider, die sie hervorriefen. »Hier stehen acht Männer in Ketten, die dieser Sünden gegen die Grundfesten unserer Bruderschaft angeklagt sind. Der eine oder andere mag vielleicht denken, dass ihr Regelverstoß angesichts der allgemeinen Ereignisse unbedeutend gewesen ist. Das sollt ihr nun in dieser Versammlung entscheiden. Ich werde an der Verhandlung nicht teilnehmen. Bruder de Montrichard wird ihr in seinem Amt als Präzeptor Vorsitzen. Doch angesichts des Ernstes der Anklage muss ich Folgendes sagen: Wir alle, die wir hier zugegen sind, haben beim Eintritt in den Orden das dreifache Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams gegenüber unseren Vorgesetzten abgelegt. Das Gehorsamsgelübde ist das wichtigste der drei, denn ohne den Gehorsam gegenüber der Ordensregel und den ranghöheren Ordensmitgliedern sind wir nur ein gefährlicher Pöbel, der zum Kämpfen ausgebildet ist und daher eine Gefahr für sich selbst und seine Umgebung darstellt.«
Er ließ den Blick über die vor ihm aufgereihten Männer schweifen. »Hört mir zu. Ich spreche jetzt nur als Mann, nicht als Vorgesetzter, sondern als Bruder unter Brüdern, und ich sage, was mir mein Herz eingibt. Wir alle wissen, dass unsere tägliche Disziplin in den letzten Monaten sehr gelitten hat. Doch dahinter verbirgt sich eine noch beunruhigendere Tatsache. Der ganze Orden hat sich in den letzten Jahren viel zu weit von seinen Ursprüngen entfernt. Wir sind lasch und träge geworden, das sage ich offen, da es nur unsere Ohren hören. Seit dem Fall von Acre sind wir wie ein ruderloses Schiff, weil uns unsere Daseinsberechtigung genommen ist – der Schutz des Glaubens und der Kirche im Heiligen Land. Und die Welt sieht in uns nicht die lange erfolgreichen Verteidiger der Christenwelt in Outremer, sondern nur noch die, die den Kampf verloren haben.«
Jetzt wurde seine Stimme laut, und die Männer vor ihm fuhren zusammen. »Und wir tun nichts dagegen! Der Tempel macht es seinen Feinden leicht, ihn zu hassen. Er ist zu einer Gemeinschaft von Krämerseelen geworden, die keine Steuern zahlen und nichts anderes zu verteidigen wissen als ihre eigene Gier. In den Augen der Welt sind wir ein Imperium von Händlern, und man beneidet uns darum. In den Augen der Kirche sind wir ein Bund von Wucherern. Und in den Augen aller sind wir ein Haufen arroganter Angeber, die mit ihren geteilten Bärten umherstolzieren und andere drangsalieren.«
Er hielt inne, und als er dann weitersprach, hatte seine Stimme wieder ihren leiseren, eindringlichen Ton angenommen.
»Das ist die Wahrheit – und das ist es, was
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