Der Schwur der Ritter
fuhr auf und hätte geschrien, wenn sich nicht eine Hand fest über seinen Mund gelegt hätte. Eine Stimme zischte ihm ins Ohr: »Psst, Will, psst! Still! Du wirst das Haus wecken und uns beide verraten.«
Blind und blinzelnd erstarrte er.
»Jessie?«
»Natürlich, du Narr. Es ist kalt hier, und dein Bett ist warm. Lass mich unter deine Decke schlüpfen.«
Benommen tat er, was sie sagte. Wieder dirigierte sie sein Gesicht zu sich hin, und er versank in einem Strudel der Empfindungen – bis er noch einmal zu Bewusstsein kam.
»Willst du mich nicht, Will Sinclair? Komm zu mir und sei mein Mann.«
Ihre warmen, zärtlichen Hände ließen ihn nicht los, und er schloss die Augen und seufzte. Und wohlig erschauernd betrat er seine neue Welt.
Phoenix aus der Asche
1
J
ESSIE RANDOLPH HATTE das Gefühl, dass die ganze Welt in der ersten Maiwoche des Jahres 1314 nach Arran kam. Der Hafen von Loch Ranza war so überfüllt, dass man ihn hatte schließen müssen, weil er kein einziges Schiff mehr aufnehmen konnte. Die vier Templergaleeren verschwanden in der Masse der Schiffe aus dem Norden, von denen viele das Wappen der MacDonalds auf ihren Segeln trugen, andere die Embleme der Campbells, der MacRuaries, der MacNeils und anderer Clans der Inseln.
Jessie lebte jetzt seit anderthalb Jahren in Loch Ranza, und das ständige Kommen und Gehen im Hafen war ihr nicht neu, doch so etwas wie derzeit hatte sie noch nie gesehen. Vom Kai bis zu den Burgmauern und im ganzen Innenhof drängten sich die Clansmänner der Inseln und der Highlands.
Zwei Stockwerke unter ihr saßen deren Anführer mit den Stellvertretern des Königs zusammen: mit Sir Robert Keith, dem Marschall von Schottland, mit Sir James Douglas, der grimmiger und älter geworden war, dazu zwei Vertretern der schottischen Kirche, William Sinclair, dem Bischof von Dunkeid, Wills Onkel, und dem wie üblich mit seiner Kriegerrüstung bekleideten Bischof David Moray. Schon seit drei Tagen berieten sie sich mit dem Inselfürsten Angus Og MacDonald, mit Fergus MacNeil, dem Herrn von Barra, mit MacGregor of Glenorchy, dem Oberhaupt des Alpine-Clans, und weiteren Häuptlingen aus Uist und Lewis.
Will befand sich unterdessen in Brodick, wo in vier Tagen die letzte Zusammenkunft der Templer in Schottland stattfinden würde. Auch in der Bucht von Lamlash im Windschatten der heiligen Insel namens Molaise würden sich allmählich die Schiffe sammeln. Danach würden sich die Templer von Arran zerstreuen, einige von ihnen auf dem Weg in ein neues Land, andere, um König Robert als Freiwillige zu dienen. Für die Männer, die in Schottland bleiben wollten, waren Häuser eingerichtet worden, die sie Logen nannten und in deren Schutz ihre unsichtbare Gemeinschaft weiter existieren konnte. Sobald die Zusammenkunft beendet war, würden die Männer mitsamt ihrer Pferde und ihrer Ausrüstung endgültig nach Schottland übersetzen.
Unter ihrem Aussichtspunkt kam Bewegung in die Menge, die jetzt zu ihren Schiffen zu strömen schien, und im selben Moment erklang hinter ihr ein diskretes Hüsteln. Hector stand an der Tür, die auf die Balustrade führte, und hielt sie für James Douglas auf.
»Sir James! Werde ich etwa gebraucht?«
Sir Douglas zog galant seine Ballonmütze und lächelte sie an.
»Nein, Baronin. Wir sind fertig und bereiten uns auf den Aufbruch vor.« Er trat an ihre Seite, und gemeinsam beobachteten sie das rege Treiben unten im Hafen. »Diese Inselmänner wissen, was sie tun. Es scheint zwar jetzt noch unmöglich zu sein, doch ich schätze, dass Euer Hafen in einer Stunde wieder leer sein wird. Ich bin hier, um Euch im Auftrag aller zu danken, die Euch in den letzten Tagen Eures Heims beraubt haben. Wir wissen Eure Gastfreundschaft und Geduld sehr zu schätzen. Bei den Versammlungen haben wir alles erreicht, was wir erhofft hatten. Die Inseln des Westens werden Robert zur Seite stehen, wenn England kriegerische Machtansprüche stellen sollte, und das wird ihn sehr beruhigen. Doch ich muss nun so schnell wie möglich zu ihm, denn er ist auf dem Weg nach Stirling, um dort sein Heer zu sammeln. Verzeiht mir also meinen abrupten Aufbruch. Die anderen warten auf mich.«
»Geht mit Gott, Sir James. Überbringt dem König meine besten Wünsche und die Grüße seiner Nichte.«
»Das werde ich tun. Adieu, madame la baronne. « Er verneigte sich so tief, dass die Feder an seiner Mütze über den Boden strich. Dann war er fort, und sie hörte, wie seine Schritte auf der engen
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