Der Schwur der Ritter
vor Gottes Thron gegenüberstehen würden.«
»Oh, Will, das ist alles so furchtbar.« Er nickte stumm, und wieder verzog sich sein Mund zu diesem traurigen Lächeln. »Wie haben die Brüder in Brodick die Nachricht aufgenommen?«, fragte sie dann.
»Sie wissen es noch nicht, denn einen ungünstigeren Zeitpunkt kann ich mir kaum vorstellen. Daher habe ich es vorer st für mich behalten.«
»Ich verstehe. Und was wird jetzt geschehen?«
Erschöpft holte er Luft. »Jetzt, Jess? Jetzt bin ich der Großmeister, so wahr mir Gott helfe – Meister über nichts. Und ich muss einen Meister in Schottland ernennen, der nach unserer Abreise den Brüdern beisteht, die hierbleiben wollen. Klingt das alles für dich genauso sinnlos wie für mich?«
Doch sie ergriff nur liebevoll seine Hand und führte ihn zum Bett.
2
A
LS ER SPÄTER schlafend an ihrer Seite lag, kam sie zu einer Entscheidung. Es war eine grausame Entscheidung, doch sie wusste, dass es die einzig mögliche war, selbst wenn sie ihren Tod bedeuten konnte.
Sie weckte ihn auf und bat ihn, sich anzukleiden. Dann nahmen sie in stiller Übereinstimmung wieder am Feuer Platz.
»Nun sag mir, was mit den Engländern ist. Hast du Neuigkeiten?«
»Aye, haufenweise Neuigkeiten, seit Edward seine Barone mit all ihren Männern nach Berwick berufen hat. Er hatte ihnen den zehnten Juni genannt, doch schon im März hatten sich über zweieinhalbtausend Ritter mit ihren Männern dort versammelt. Über sechstausend Mann, Jess, im März, zwei Monate zu früh. Inzwischen müssen wir davon ausgehen, dass weit über zwanzigtausend Mann vor Berwick lagern und wie die Geier nach uns gieren.«
» Zwanzigtausend?«
»Aye, so sieht es aus. Und Bruce wird sich glücklich schätzen können, wenn er in ganz Schottland auch nur die Hälfte auftreibt.«
Sie starrten grüblerisch ins Feuer, bis ihn Jessie fragte: »Möchtest du meinen Rat hören?«
»Bis jetzt hast du ja noch nie unrecht gehabt«, sagte er mit dem Hauch eines Lächelns.
»Das wird auch jetzt nicht anders sein. Ich liebe dich mehr als mein Leben, deshalb werde ich dir sagen, was ich denke.« Ihre Finger kneteten den Stoff ihres Kleides. »Ich habe lange darüber nachgedacht, Will, und ich glaube, ich weiß, was du tun musst. Hör mir also gut zu, denn wenn ich es dir jetzt nicht sage, könnte es sein, dass mich der Mut dazu verlässt.«
3
D
IE GROSSE HALLE von Brodick war voller Männer, die selbst auf dem ausgesparten Quadrat in der Mitte Schulter an Schulter standen. Zwei Mittelgänge, die mit Seilen abgetrennt waren und ein Kreuz bildeten, ließen den Zugang zu den vier Kanzeln frei. Die östliche Kanzel war der Sitz des Meisters, und alle Blicke waren dorthin gerichtet.
Die Brüder hatten ihre Riten in der Dunkelheit vollzogen, und bei Anbruch des Tages hatten sich zusätzlich die Sergeanten zu ihnen gesellt. Die Stimmung war getragen, denn sie alle wussten, dass dies die letzte Zusammenkunft der überlebenden Templer in Arran war – vielleicht die letzte überhaupt.
Will stand in einer der Kammern auf der Galerie und wartete darauf, dass der letzte Kanon endete. Dann nickte er den vier Männern an seiner Seite zu, und sie setzten sich in einer feierlichen Prozession in Bewegung. Sie trugen strahlend weiße Wollroben und die Insignien ihrer Ämter. Ein jeder von ihnen klopfte laut an die Tür der Kammer, nannte sein Passwort und schritt hindurch, um die Treppe hinunterzugehen.
Richard de Montrichard war der Erste; ihm stand die Kanzel des Nordens zu. Kapitän de l’Armentière würde für Admiral de Berenger die Kanzel des Südens einnehmen. Bischof Formadieu und Sir Reynald de Pairaud besetzten gemeinsam die Kanzel des Westens, und dann war es an Will, Einlass zur Versammlung zu begehren. Er selbst war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet und trug eine schwarze Ledertasche in der linken Armbeuge.
Der letzte Ton des Gesangs verhallte, und erwartungsvoll schweigende Gesichter begleiteten ihn auf seinem Weg zur Kanzel des Ostens.
Als alle Kanzeln besetzt waren, legte er die Tasche vor sich auf den Tisch und öffnete die Schnalle, bevor er den Kopf hob und mit sorgsam gewählten Worten zu sprechen begann.
»Brüder, wir sind hier zusammengekommen, um einen Anlass zu begehen, der bei unserem Aufbruch aus La Rochelle vor sieben Jahren undenkbar gewesen wäre. Während dieser Zeit haben wir hier in der Hoffnung gelebt, dass der Tag kommen würde, an dem unsere Ehre wiederhergestellt wird und wir nach
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