Der Schwur der Ritter
wärt ein einfacher Kutscher. Ich hatte ja keine Ahnung, dass Ihr dem Tempel angehört.«
»Genauso wenig wie der Rest der Welt, meine Liebe«, sagte ihr Schwager. »Tam ist inkognito zu uns gekommen, als Eskorte Sir Williams, mit Nachrichten von unserem Großmeister in Paris. Brüder, dies ist die Witwe meines Bruders, Lady Jessica Randolph, Baronin de St. Valéry.«
Sie nickte den Männern freundlich zu und richtete den Blick dann noch einmal auf Sir William.
Grundgütiger, was für ein Hüne. Und er hat ja gar keinen Bart. Ich dachte, die Templer betrachten es als Sünde, sich zu rasieren, auch wenn sich Gott wahrscheinlich selber fragt, warum. Ein sympathisches, klares Gesicht, ein kantiges Kinn und seltsame Augen – so leuchtend und doch so blass. Und wütend. Ob er auf mich wütend ist?
»Ich habe noch nie das Kinn eines Templers gesehen«, sagte sie, und sein Blick flammte auf. Jemand lachte, verwandelte den Laut aber rasch in ein Husten. »Vergebt mir meine unverblümten Worte«, fuhr sie fort, »doch es ist die Wahrheit. Jeder Templer, den ich je zu Gesicht bekommen habe, hatte einen Bart.« Wieder sah sie Tam an. »Ihr seid ein Sinclair«, sagte sie und richtete den Blick erneut auf den Ritter. »Dann müsst Ihr sein Verwandter sein, der berühmte Sir William Sinclair, Ritter des Salomonstempels.«
Sir William funkelte sie weiter wortlos an.
Was habe ich nur getan, dass er so wütend auf mich ist? Oder ist er einfach nur einer dieser übereifrigen Christen, die jede Frau hassen?
»Ihr kennt Sir William, meine Liebe?«, fragte St. Valéry erstaunt.
»Nein, Bruder, aber ich habe von ihm gehört. Sir Williams Heldentaten sind sagenumwoben.« Sie lächelte, als sie den Blick wieder auf Sir William richtete, und sah, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg.
In Gottes Namen, er ist gar nicht wütend auf mich. Der Mann hat Angst vor mir. Doch warum nur? Weil ich eine Frau bin? Kann es so simpel und so traurig sein? Ihm fehlen tatsächlich die Worte. Nein, es muss etwas anderes sein als bloße Angst.
Dann fand der Ritter die Sprache wieder, doch selbst der knappe Satz, den er hervorbrachte, schien ihm die Kehle zuzuschnüren.
»Ihr verspottet mich, Mylady.«
»Nein, Sir, bei meinem Wort, das tue ich nicht.« Wahrhaftig nicht, das schwöre ich Euch. Als sie ihm dann in die Augen blickte, hatte sie das Lächeln und jeden Hauch von Ironie aus ihrer Miene getilgt, und sie sprach ihn in ihrer gemeinsamen Muttersprache an.
»Als ich ein kleines Mädchen war, war ich mit Eurer Schwester Peggy befreundet, Sir William, und sie hat ständig von Euch und Euren Taten erzählt.« Sie wechselte wieder ins Französische über. »Peggy hat ständig von Euch geschwärmt. Ihr wart ihr Held, ihr Bruder in Ritterrüstung, Soldat des Tempels und Verteidiger des wahren Kreuzes. Und das, obwohl sie Euch doch selbst kaum kannte. Dennoch hätte sie kaum eine bessere Meinung von Euch haben können.«
Der Mann runzelte die Stirn und bewegte die Lippen, doch er brachte nichts heraus, und so versuchte er es ebenfalls auf Schottisch. »Sie war doch nur ein albernes Mädchen.«
Das brachte ihm eine scharfe Erwiderung auf Französisch ein: »Und sind alle Mädchen albern, Sir William? Peggy ist längst eine Frau, und ich würde jede Wette eingehen, dass sie ihre Meinung in Bezug auf Euch nicht geändert hat. Würdet Ihr sie dann immer noch als albern bezeichnen?«
Die Antwort klang noch feindseliger als seine vorherigen Worte.
»Ich verstehe nichts von Frauen, Mylady.«
»Das ist nicht zu übersehen, Sir William«, konterte Jessie kühl.
»Aye, nun ja. Ich bin ein einfacher Soldat …«
»Aye, und ein bescheidener Mönch. Ja, ja. Das höre ich nicht zum ersten Mal, Master Sinclair, aber ich sehe etwas anderes.«
Sie schnaubte innerlich und wandte sich wieder dem Admiral zu, der seine Bestürzung angesichts dieses Wortwechsels nicht verbergen konnte. Sie lächelte ihm zu und wies auf die beiden anderen Männer im Raum. »Ist Kommandeur de Thierry denn nicht hier?«
St. Valéry schluckte und wich ihren Blicken aus, als er dann seine Antwort begann. »Sir Arnold weilt leider nicht mehr unter uns, Schwester. Darf ich Euch seinen Nachfolger vorstellen, Sir Richard de Montrichard, und meinen eigenen Vizeadmiral, Sir Edward de Berenger?«
Die beiden Männer verneigten sich vor ihr, und Jessie gab sich Mühe, ihnen zuzulächeln. Mehr Zeit zum Nachdenken blieb ihr nicht, denn nun bat der Admiral die Anwesenden, am Feuer Platz zu
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