Der Schwur der Ritter
Kälte sie vollends aufweckte. So groß war ihre Erleichterung, dass sie am liebsten die Tür aufgerissen und den Mann im Korridor geküsst hätte. Sie war in La Rochelle! In Sicherheit!
Sie musste grinsen, als sie sich das Gesicht des Mannes draußen vor der Tür vorstellte, wenn sie ihn tatsächlich geküsst hätte. Er musste ein Mönch sein – womöglich wäre er in Ohnmacht gefallen. Sie versuchte, sich ihre Euphorie nicht anmerken zu lassen, als sie ihm antwortete.
»Danke. Sagt dem Admiral, ich komme sofort.«
»Das werde ich tun, Mylady.«
Der Lichtstreifen, der unter der unsichtbaren Tür hindurchfiel, verschwand, als sich der Mann zum Gehen wandte.
»Halt. Bitte wartet, und bleibt stehen.« Mit Hilfe des Lichtstreifens fand sie den Türgriff, dann fuhr sie sich noch einmal über die Kleider, um sicherzugehen, dass ihre Blöße bedeckt war, und öffnete die schwere Tür.
Der Mann war jung, und die Tonsur auf seinem Kopf glänzte selbst im gedämpften Fackelschein des Korridors. Er trug den braunen Waffenrock eines Templersergeanten und hielt einen Kerzenhalter mit einer dicken Wachskerze in der Hand. Bei ihrem Anblick bekam er große Augen, und sie begriff, dass ihr Haar wahrscheinlich einen ziemlich wilden Anblick bot.
»Verzeiht mir, Bruder, wenn ich Euch erschrecke, aber würdet Ihr mir diese Kerze hierlassen? In meiner Schlafkammer gibt es kein Licht, und ich möchte mich zurechtmachen, bevor ich zu meinem Schwager gehe.«
Der ernste junge Mann trat vor und hielt ihr seine Kerze entgegen. »Natürlich, Mylady. Kann ich sonst noch etwas für Euch tun?«
»Wäre es Euch möglich, mir etwas Wasser zum Waschen zu holen, Bruder?«
»Ich muss es ohnehin aus der Küche holen, Mylady. Hättet Ihr gern, dass ich es für Euch anwärmen lasse?«
»Ich würde Euren Namen einen Monat lang in meine Gebete einschließen, wenn Ihr das für mich tun könntet.«
»Danke, Mylady. Er lautet Giles. Ich bin gleich zurück.«
Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, begab sich Jessie ans Werk. Sie hatte einen Lederbeutel mit ein paar Habseligkeiten retten können und kippte nun den Inhalt auf das schmale Bett, darunter auch ihre Haarbürste und einen in ein Wolltuch gewickelten, handtellergroßen rechteckigen Spiegel aus poliertem Silber. Sie rieb kurz mit dem Tuch darüber, bevor sie ihn sich vor das Gesicht hielt und entmutigt den Mund verzog.
Nun denn. Sie zog sich die Haarnadeln aus den dichten Locken, die sie zuerst mit den Fingern entwirrte, dann mit der Bürste glättete. Als der junge Mönch wieder klopfte, war sie so weit, dass sich ihr Haar widerstandslos bürsten ließ. Er brachte ihr noch ein paar Kerzen, bevor er sich erneut in Richtung Küche entfernte. Dankbar für das zusätzliche Licht, setzte sie ihre Arbeit fort. Sie zog sich einen sauberen Mittelscheitel und ließ ihr Haar über die Schultern nach vorne fallen. Dann flocht sie es mit geübten Fingern zu zwei ordentlichen Zöpfen, die sie zusammenrollte und mit Hilfe der Nadeln und ihrer Perlmuttkämme an den Seiten ihres Kopfes feststeckte. Als alles festsaß, bedeckte sie ihr Haar mit einem feinen Netz aus Golddraht, das mit kleinen Bernsteinperlen besetzt war. Ihr nächster Blick in den Spiegel war besonders kritisch, doch ihr Werk war makellos.
Am Zustand ihrer Kleider, in denen sie geschlafen hatte, konnte sie nicht viel ändern, und während sie hier und dort mit der Bürste einen Staubfleck entfernte, kehrte Bruder Giles mit einem dampfenden Wasserkrug zurück, der in ein Handtuch geschlungen war. Diesmal wurde er von einem weiteren Bruder begleitet, der eine Kochschürze trug und einen zweiten Krug dabei hatte.
»Heißes und kaltes Wasser, Mylady, damit Ihr es nach Belieben mischen könnt.«
»Gott segne Euch, Bruder Giles und Bruder Koch. Und zwei Handtücher. Und sogar Seife. Was für eine wundervolle Wohltat!«
Die beiden Männer strahlten, und Jessie lächelte ihnen zu. »Jetzt habe ich noch zwei Bitten an Euch, Bruder Giles: ein paar Minuten für mich selbst, um mich zu waschen, und dann die Annehmlichkeit Eurer Gesellschaft, denn ich muss gestehen, dass ich nicht weiß, wo ich den Admiral finde. Würdet Ihr auf mich warten und mich zu ihm führen?«
»Gewiss, Mylady.« Die beiden Männer verließen die Kammer und schlossen die Tür hinter sich.
Jessie schüttete heißes Wasser in eine Schüssel, goss ein wenig kaltes dazu, tauchte eines der Handtücher hinein und rieb mit der groben Seife darüber. Sie wrang es aus und
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