Der Schwur der Ritter
nehmen. Er wählte den Sessel zu ihrer Rechten und wies Sir William den Sitz auf der anderen Seite an. Doch kaum hatten sie ihre Plätze eingenommen, klopfte es laut an der Tür, und ein sichtlich nervöser Soldat der Wache trat ein.
Zwei Frauen, so berichtete er – stockend, denn der Admiral hatte seine finsterste Miene auf ihn gerichtet –, hätten nach Anbruch der Dunkelheit Einlass begehrt und nach der Baronin St. Valéry gefragt.
Jessie sprang auf.
Marie und Janette! Gott sei Dank, sie leben noch!
Der Soldat sagte, man hätte sie im Torhaus untergebracht, weil Sergeant Tescar den Befehl habe, niemanden in die Kommandantur zu lassen, doch die beiden Frauen hätten immer heftiger darauf gedrängt, die Baronin sehen zu dürfen, sodass der Sergeant der Wache nun um Rat bäte.
Jessie fuhr zu St. Valéry herum und fasste ihn am Arm. »Das sind meine Zofen, Charles. Wir mussten uns unterwegs trennen, weil de Nogaret auf der Suche nach drei Frauen war, und ich habe seitdem nichts mehr von ihnen gehört. Ich muss zu ihnen. Würdet Ihr mich entschuldigen?«
Doch Sir Charles konnte seine Ungeduld nicht mehr unterdrücken. »Nein, meine Teure, ich kann Euch nicht gehen lassen. Ich habe Euch und meinen Stellvertretern etwas zu sagen, das ich nicht wiederholen kann, denn uns läuft die Zeit davon. Eure Zofen sind in Sicherheit, Lady Jessica. Sie sind in guten Händen, und es wird ihnen nicht schaden, wenn sie noch ein wenig warten müssen.«
Jessica hätte ihm gern widersprochen, doch stattdessen wandte sie sich an den Soldaten. »Bitte sorgt dafür, dass sie etwas zu essen bekommen, und sagt ihnen, wie froh ich bin zu hören, dass sie hier sind. Erklärt ihnen, dass ich jetzt nicht fort kann, dass ich aber zu ihnen kommen werde, sobald es geht. Und überbringt dem Sergeanten meinen Dank dafür, dass er ihrer Bitte Beachtung geschenkt hat.«
Als sich die Tür hinter dem Soldaten geschlossen hatte, kehrte die Baronin zu ihrem Sitzplatz zurück. »Nun denn, Admiral«, sagte sie förmlich. »Was ist denn so wichtig, dass es nicht warten kann?«
Der Admiral erhob sich und stellte sich mit dem Rücken zum Feuer, sodass er in die Runde blicken konnte. »Wichtig, todernst und eigentlich kaum zu glauben. Großmeister de Molay lässt uns durch Sir William die Warnung überbringen, dass der gerade vergangene Tag der letzte Tag sein könnte, an dem uns in Frankreich die Freiheit vergönnt ist.«
Er blickte von einem Gesicht zum anderen.
»Der Großmeister glaubt, dass der König danach trachtet, sich unseres Ordens zu entledigen. Eine Quelle in Paris hat ihm zugetragen, dass König Philipp den Befehl erlassen hat, sämtliche Templer in Frankreich morgen bei Tagesanbruch festzunehmen. Für die Ausführung dieses Befehls ist William de Nogaret zuständig.«
»Aber das ist doch lächerlich!« Montrichard war mit einem Satz auf den Beinen. »Warum sollte der König so etwas tun, und wie? Das ist doch unmöglich, und es ergibt überhaupt keinen Sinn.«
»Vielleicht doch, wenn man Philipp Capet ist.«
Fünf Männergesichter wandten sich Jessica Randolph zu, anscheinend erstaunt, dass sie sich nicht scheute, einem Mann so unverblümt zu widersprechen, doch sie hob ungerührt die Hand und erbat sich Gehör.
»Philipp Capet ist Regent von Gottes Gnaden, nicht wahr? Er ist König, weil Gott es so will; das ist seine Überzeugung, aus der er kein Geheimnis macht – und das seit über zwanzig Jahren. Doch was wissen wir nach all dieser Zeit wirklich über ihn? Wir kennen seinen offiziellen Titel, Philipp der Vierte. Seinen inoffiziellen Titel, Philipp der Schöne. Und wir wissen, dass seine Frau, Königin Jeanne, vor zwei Jahren auf dem Sterbebett gesagt hat, einst hätte sie gewünscht, er würde sich für sie erwärmen.«
Sie ließ ihre Worte einen Moment wirken, dann fuhr sie fort.
»Einst, meine Herren. Inzwischen war es ihr längst gleichgültig.«
Sir William machte neben ihr eine Bewegung, als wollte er etwas sagen, doch Jessie winkte ab.
»Ich weiß, was Ihr denkt: dass ich nur eine Frau bin und kein Recht habe, hier das Wort zu ergreifen und mich in die Angelegenheiten von Männern einzumischen. Doch ich weiß, wovon ich rede. Dieser König kennt kein Maß. Er duldet keinen Widerspruch, wenn er sich einmal etwas vorgenommen hat. Er glaubt, nur Gott verantwortlich zu sein. Philipp Capet ist ein Monarch ohne Gewissen. Er hat meinen Mann ermordet, weil er ihm im Weg war.« Sie hielt inne und schluckte. »Ich bin ihm ein
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