Der Schwur der Ritter
wahr?«
»Ja.«
»Und doch war er sich nicht ganz sicher, ob die Dinge, auf die wir uns hier vorbereiten, auch wirklich eintreffen werden. Ist es nicht so?«
»So ist es.«
»Wäre er heute Abend hier, glaubt Ihr, dass er jetzt von der Wahrheit der Warnung überzeugt wäre?«
»Daran habe ich keinen Zweifel. Warum fragt Ihr das?«
»Weil mir dieser Befehl, keinen Widerstand zu leisten, Sorge bereitet. Wie viele Männer habt Ihr unter Waffen, Sir Richard?«
»Einhundertvier, Admiral, wenn ich die Ärzte mitrechne.«
»Bei so vielen Bewaffneten könnte doch die Versuchung zur Gegenwehr groß werden, glaubt Ihr nicht, Sir William?«
»Das wäre möglich, wenn hier nicht von Templern die Rede wäre. Was wollt Ihr wirklich sagen, Admiral?«
»Nun, dass wir sie erst gar nicht in Versuchung geraten lassen sollten, den Befehl des Großmeisters zu missachten. Einhundertvier Männer, die gar nicht da sind, können auch keine Gegenwehr leisten …«
Sinclair pfiff leise durch die Lippen. »Ihr habt Platz für sie?«
»Ich werde Platz schaffen.«
Sinclair nickte. »So soll es sein. Tut es«, sagte er. »Wir werden de Nogaret eine leere Hülle hinterlassen.«
»Danke, mein Freund.« St. Valéry lächelte erleichtert. »Sir Richard, zieht alle Wachen ab und schließt und verriegelt die Tore. Eure Männer sollen sich sammeln und mitnehmen, was sie auf dem Rücken tragen können, aber nicht mehr. Beginnt sofort mit ihrer Einschiffung.«
Der Präzeptor salutierte ihm, und als er sich dann entfernte, lag neuer Schwung in seinen Schritten.
»Und nun, Will, mein Freund«, sagte der Admiral, »bleibt mir nur noch eines, nämlich meinen persönlichen kleinen Schatz hier in Sicherheit zu bringen. Doch diese schwarze Flasche ist schwer, und meine Kräfte lassen nach. Wollt Ihr mir noch einmal helfen, sie zu erleichtern, bevor wir uns aufmachen?«
Nachdem sie sich mit einem dritten Glas des wundersamen Benediktinerlikörs gestärkt hatten, verließen auch sie das Gebäude und gingen zu den Kais der Kommandantur hinunter, die durch ein Meer von Teerfackeln beleuchtet wurden. Die Fackeln steckten in Körben am Ende stabiler Holzmasten und markierten die Wege von den Lagerhäusern zu den vor Anker liegenden Schiffen. Will pfiff leise durch die Zähne.
»Woher kommen denn all diese Fackeln?«
»Wir haben immer genug Fackeln auf Lager. Manchmal können wir uns nicht aussuchen, wann wir ein Schiff entladen müssen, deshalb sind wir stets darauf vorbereitet, in der Nacht arbeiten zu müssen. Wir bekommen das Pech aus Touchemarin, einem Dorf ganz in der Nähe, und lagern es in einem riesigen Fass, das immer gut gefüllt ist.«
»Ich bin beeindruckt. So etwas habe ich noch nie gesehen.« Sir William wandte dem Wasser den Rücken zu und ließ den Blick über die Gebäude schweifen, die sich rechts und links der Kommandantur erstreckten. Obwohl die Fackeln am Kai die Nacht zum Tage machten, war nur in der Kommandantur Licht zu sehen.
»Wem gehören die Häuser rechts und links der Kommandantur?«
»Uns. Dieser Teil des Hafenkais ist ganz in unserem Besitz. Es sind Handelshäuser, die von Laienbrüdern unterhalten werden.«
Obwohl Sinclair die Männer, die das wirtschaftliche Rückgrat des Ordens bildeten, nicht als vollwertige Templer betrachtete, musste er innehalten. »Ich frage mich, was wohl morgen aus ihnen werden wird.«
Er bekam keine Antwort, weil es darauf keine Antwort gab. Also wandte er sich wieder dem geschäftigen Treiben am Kai zu. Alles war in Bewegung, und doch war kaum ein Laut zu hören, und Sir William staunte über die Massen von Säcken und Kisten, die hier von Schulter zu Schulter weitergereicht wurden, bis sie an der Hafenkante in Netze gehoben und an Bord gehievt wurden, wo sie unter Deck verschwanden. »Ihr lächelt ja, Sir William. Amüsiert Ihr Euch etwa?«
»Was? Gott bewahre.« Doch das Lächeln blieb. »Aber es ist immer eine Freude, disziplinierten Männern bei der Arbeit zuzusehen. Hätte ich noch Zweifel daran gehegt, ob es richtig ist, sie der Verfolgung durch de Nogaret zu entziehen, so hätte dieser Anblick sie endgültig getilgt.«
5
A
LS ER SPÜRTE, wie sich der Kiel der Galeere unter der Dünung hob, während sie zu ihrem Ankerplatz im offenen Meer gerudert wurde, stellte Sir William sein Schwert in eine Ecke seiner winzigen Kajüte, legte seinen Umhang ab, um ihn an einen Haken zu hängen, und ließ sich dann auf die schmale Koje fallen, die vorerst sein Ruheplatz sein würde. Wieder
Weitere Kostenlose Bücher