Der Schwur der Ritter
wieder zu Boden.
»Gut. Ihre Pferde werden gerade verladen. Sicher hat euch Vizeadmiral de Berenger bereits mitgeteilt, wo und wann die Männer folgen sollen – da kommt er ja.«
Tatsächlich kam Sir Edward de Berenger auf sie zu. Sinclair stellte ihm seinen Bruder vor und erkundigte sich, wo sich der General aufhielt. De Berenger wies auf ein Zelt, das vielleicht hundert Meter von ihnen entfernt stand. Etwas dahinter drängte sich eine Traube aus Dorfbewohnern in gebührendem Abstand von den Rittern und den Seeleuten am Strand. Er wies kopfnickend auf sie.
»Hattet ihr Probleme mit den Dorfbewohnern?«
Kenneth schüttelte den Kopf. »Sie hatten Todesangst, als wir von den Klippen gestiegen kamen, doch dann haben sie begriffen, dass wir nur ihren Anlegeplatz benutzen wollten, und sie haben uns in Ruhe gelassen. Ich habe ihrem Anführer einen Beutel Silber für das Dorf gegeben – vor aller Augen, sodass er es nicht für sich behalten kann. Und ich habe ihm gesagt, dass er ruhig alles erzählen soll, was er gesehen hat, falls später jemand kommt und sich nach uns erkundigt.«
Sinclair nickte und wandte sich wieder an de Berenger. »Nun, Sir Edward, wir sollten zum General gehen, denn er wollte uns ja sehen. Kenneth, deine Männer erwarten dich gewiss.«
Während sich Kenneth mit einem Kopfnicken verabschiedete und sich abwandte, entschuldigte sich de Berenger zunächst, weil er sich um einen defekten Kran kümmern musste.
So machte sich Sinclair allein zum Zelt auf, wo er zu seinem Ärger nicht nur den General auf dem Kieselstrand sitzen sah, sondern auch dessen Schwägerin, die Baronin. Hatte sie etwa vor, von nun an bei jedem Gespräch zugegen zu sein?, fragte er sich gereizt.
Doch bevor er den Admiral ansprechen konnte, trat jemand anders mit einer Nachricht auf ihn zu, und St. Valéry erhob sich, begrüßte Sinclair mit einem entschuldigenden Schulterzucken und folgte dem Boten, der rasch im Gewimmel am Kai verschwand.
Keine fünfzig Schritte trennten Sinclair mehr von der Stelle, an der die Baronin saß und zu den Schiffen hinausblickte, und er senkte den Kopf, um sie nicht ansehen zu müssen, während er sich durch den Kies kämpfte, der ihn an den Füßen in den Boden zu ziehen schien. Er wusste nicht, wie er dieser Frau gegenübertreten sollte. Sein ganzes Dasein hatte er ernsten Zielen geweiht, hatte seine Kampfkunst perfektioniert, die Fähigkeiten eines kundigen Strategen erworben und die komplexesten Mysterien seines Ordens studiert. Doch auf diese Präsenz, die ihn ein ums andere Mal durch ihren bloßen Anblick, ihren Duft, ihre … Weiblichkeit aus der Fassung brachte, hatte ihn nichts und niemand vorbereitet.
Dann sah sie ihn kommen, und ihre gedankenverlorene Miene verwandelte sich in … Desinteresse? Nein. Ausdruckslosigkeit, das war es. Als sei er es nicht wert, Notiz von ihm zu nehmen. Nun denn, damit konnte er umgehen. Wenn sie sich so verhalten wollte, wie sie glaubte, dass sich ein Mann verhielt, würde er sie auch behandeln wie einen Mann … einen Untergebenen natürlich, dachte Sinclair grimmig und begrüßte sie mit einem knappen Kopfnicken, als sie nun zu ihm aufblickte.
»Guten Tag, Sir William«, sagte sie weder freundlich noch unfreundlich. »Sir Charles ist gleich wieder bei uns. Bitte setzt Euch doch.«
Möglich, dass es dieses »uns« war, diese Selbstverständlichkeit, mit der sie davon ausging, dass sie seinem Gespräch mit St. Valéry beiwohnen würde; möglich, dass es das kühle Selbstbewusstsein war, mit dem sie ihn einlud, sich zu setzen – doch schon ihre ersten Worte tauchten ihn in ein neues Wechselbad aus Wut und Erniedrigung, gepaart mit der Gewissheit, dass er sich nur blamieren konnte. Also blieb er einfach nur stumm und reglos vor ihr stehen. Zu seinem Glück durchschaute sie ihn nicht, sondern legte sogar etwas mehr Wärme in ihre nächsten Worte.
»Sir Charles wurde zum Kai gerufen, weil es Schwierigkeiten mit dem Verladen der Pferde gab. Ich muss zugeben, dass ich überrascht war, wie viele Reiter Euer Bruder mitgebracht hat. Ich hatte vielleicht zwei Dutzend erwartet, doch es müssen ja mindestens hundert sein. Bitte nehmt doch Platz. Meine Zofen haben sich auf die Suche nach Brennholz gemacht. Sie sind gewiss gleich zurück, und dann können wir Feuer machen und werden es etwas wärmer haben.«
Das klang nicht nach weiblicher List, und so leistete Sir William ihrer Einladung Folge, obwohl er nicht die geringste Ahnung hatte, was er zu ihr sagen
Weitere Kostenlose Bücher