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Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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Pakeha-Kind halten wird, dachte Maggy beinahe bedauernd. Sie war so intensiv mit ihrem Baby beschäftigt, dass sie die beiden Menschen, die ihr nun entgegenkamen und geradewegs auf sie zuhielten, zunächst gar nicht wahrnahm.
      Erst als der hochgewachsene ältere Mann vor ihr stehen geblieben war und sie wie einen Geist anstarrte, erkannte sie ihn.
      »Vater, du?«, entfuhr es ihr fassungslos.
      »Ich glaubte dich längst in Auckland«, erwiderte Walter ohne das geringste Anzeichen von Wiedersehensfreude. »Was tust du noch hier?«, fügte er vorwurfsvoll hinzu.
      June war angesichts dieser Begrüßung gar nicht wohl in ihrer Haut, doch dann entdeckte sie das Baby auf Maggys Arm und brach in Entzückensrufe aus.
      »Ist das süß! Schau nur, Vater!«
      »Guten Tag, June«, sagte Maggy leise.
      »Ach, Maggy, wie schön, dich zu sehen! Kommst du mit uns nach Auckland? Henry ist schon dort. Er ist auf der Hazard geflüchtet. Ich war auch schon an Bord. Du musst wissen, meine Eltern sind beide bei der Explosion umgekommen, doch dann habe ich mich noch einmal nach Kororareka übersetzen lassen, um nach deinen Eltern zu suchen. Ja, und dann fand ich deinen Vater, wie er deine Mutter zum Friedhof trug ...«
      »Mutter ist tot?«, fragte Maggy ungläubig.
      »Ich glaube nicht, dass du sie noch Mutter nennen solltest, waren es doch deinesgleichen, die sie auf dem Gewissen haben ...«
      »Aber Vater, sie kann doch nichts dafür. Emily war ihre Mutter, ob es dir nun passt oder nicht«, protestierte June energisch, doch Maggy war wie betäubt.
      In diesem Augenblick fing ihr Kind zu schreien an. Da Maggy nicht reagierte, redete June tröstend auf das Baby ein und griff nach der Kleinen. »Du kannst sie mir solange auf den Arm geben, bis du den Schock überwunden hast«, bot sie Maggy ihre Hilfe an. Maggy aber funkelte June zornig an und schrie: »Finger weg von meinem Kind! Nimm deine verdammten Finger weg!« Dann wandte sie sich um und rannte fort.
      June blickte ihr bestürzt hinterher. »Aber ... aber was hat sie denn? Und wieso behauptet sie, dass das ihr Kind ist? Man sieht doch auf den ersten Blick, dass es ein weißes Kind ist - und überhaupt, sie ist doch selbst noch ein Kind. Ob es ein Waisenkind ist? Meinst du, wir könnten herausbekommen, ob es Eltern hat? Wenn nicht, dann würde ich es nämlich gern adoptieren. Verstehst du?«
      »Du möchtest jenes Baby also adoptieren?«, wiederholte Walter in einem Ton, als könne er kaum glauben, was er da hörte.
      »Ja, wundert es dich? Hat Mutter denn nie mit dir darüber gesprochen? Sie wollte mir ein Kind aus einem Waisenheim in Auckland besorgen.«
      »Das hat sie dir so gesagt?«
      »Ja, sie wollte mir helfen, aber nun ist sie nicht mehr da, um ...« June brach ab. Tränen standen ihr in den Augen.
      »Du sollst genau dieses Baby bekommen«, verkündete Walter mit fester Stimme.
      »Aber du weißt ja noch gar nicht, ob es wirklich ein Waisenkind ist. Vielleicht hat es Eltern ...«
      »Es wird bald Eltern haben - dich, meine Liebe, und Henry. Ich kümmere mich darum.«
      »Was macht dich da so sicher?«
      »Geh zurück zur Schule und lass mich das erledigen. Ich bringe dir das Kind heute noch. Ich weiß zufällig, dass die Eltern beide tot sind.«
      Junes Augen glänzten vor Glück. Verschwunden waren alle ihre Bedenken.
      »Du glaubst, du kannst mir das Kind noch heute bringen? Das wäre ja wunderbar.« Übermütig fiel sie ihrem Schwiegervater um den Hals.
      »Ich glaube es nicht nur, ich weiß es«, entgegnete Walter und schlug zu allem entschlossen den Weg zum Haus von Bella Morton ein.
      Maggy hatte sich am ganzen Körper bebend in ihrem Zimmer verkrochen. Das war mehr, als sie verkraften konnte. Den Tod von Tiaki und ihrer Mutter, die Sorge um Matthew, die Begegnung mit einem fremden Mann, der sie hasserfüllt angesehen und den sie einst Vater genannt hatte, und dann Junes fordernder Griff nach ihrem Kind.
      Maggy drückte die Kleine fest an sich, bevor sie sie in das Flachskörbchen zum Schlafen legte. Sie war erleichtert, dass sie allein im Haus war. Ripeka und Bella wurden in der Schule gebraucht.
      Sie erstarrte, als sie jemanden ihren Namen rufen hörte. »Margaret!« So hatte ihr Vater sie nur genannt, wenn er böse auf sie gewesen war, und das war äußerst selten der Fall gewesen. »Margaret, ich weiß, dass du da bist. Komm her!«
      Mit zitternden Knien verließ sie ihr Zimmer und betrat das Wohnzimmer.

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