Der Schwur des Maori-Mädchens
würdet heiraten, und du würdest im Gegenzug auf deine Geschichte verzichten.«
Ben verzog den Mund zu einem spöttischen Grinsen. »Da irrt die junge Dame. Eine Hochzeit ist kein Geschäft. Ich bin ein unverbesserlicher Romantiker, der an einem Platz im Herzen der Dame interessiert ist, aber dieser ist leider besetzt von ... Tja, das werden wir hoffentlich herausbekommen, wer dieser Frederik Newman wirklich ist. Nicht wahr, Vater?«
Mister Schneider grinste mindestens ebenso breit wie sein Sohn.
Ben wollte sich aus Vivians Griff befreien, doch sie klammerte sich an ihn und flehte ihn an, sie zu heiraten. Er aber blickte sie an wie ein lästiges Insekt, das er nur noch loswerden wollte. Dann stöhnte er laut auf.
»Schauen Sie mich an, Miss Taylor. Und sagen Sie mir, ohne den Blick abzuwenden, dass Sie Frederik Newman nicht lieben, sondern mich.«
»Was soll das werden?«, mischte sich sein Vater ein. Ben aber kümmerte sich nicht darum. »Sind Sie bereit?«
Vivian nickte. Ihr Herz pochte so laut, als wolle es zerbersten. Was für eine unwürdige Vorstellung, dachte sie, aber ich tue es doch!
Sie blickte Ben unverwandt in die Augen. Dort, wo sie bisher stets Zärtlichkeit gelesen hatte, flackerte Hass.
»Ich liebe nicht Frederik Newman, sondern ...« Vivian geriet ins Stocken und senkte den Blick. Nein, sie brachte es nicht über die Lippen.
Tränen rannen ihr die Wangen hinunter, während das hässliche Lachen der beiden Männer bis tief in ihre Eingeweide drang.
Dunedin, Januar 1867
Lily bekam kaum einen Bissen hinunter. Sie hatte vergeblich versucht, sich vor diesem Abendessen zu drücken, aber Edward hatte ihr das Unwohlsein nicht abgenommen, sondern ihr auf den Kopf zugesagt, dass es wohl eher an ihrer Abneigung gegen Doktor Claydon liege. Lily hatte es nicht geleugnet in der Hoffnung, Edward würde sie verstehen, doch dem war nicht so. Im Gegenteil, er hatte sich furchtbar aufgeführt und sie mit Vorwürfen überhäuft. Seine harten Worte schmerzten immer noch. Sie wollte nicht mehr daran denken, doch jeder Vorwurf hatte sich unauslöschlich in ihr Herz gebrannt. Du denkst nur an dich, du bist ein verwöhntes dummes Ding. Du drückst dich vor deinen Pflichten. Oder willst du verhindern, dass er mir seine Praxis übergibt? Bist du neidisch, weil du gern an meiner Stelle wärst?
»Noch ein Stück Fleisch?«, riss Mabel Newmans Stimme sie aus ihren Gedanken, bevor ihr der Geruch des gebratenen Lammes in die Nase stieg und ihr Magen rebellierte. Ihre Schwiegermutter hielt ihr fordernd die Fleischplatte hin. »Nun nimm schon! Du musst bei Kräften bleiben.«
»Nein danke«, entgegnete sie entschieden, und das bereitete ihr ein gutes Gefühl. Wenigstens beim Essen konnte sie sich den Übergriffen von Edward und seiner Familie widersetzen. Der aber warf ihr einen grimmigen Blick zu.
Wie so oft in letzter Zeit fieberte sie förmlich dem Tag entgegen, an dem Edward seine eigene Praxis haben würde. Er hatte ihr versprochen, dass sie ihm assistieren dürfe. Das würde ihren eintönigen Alltag endlich beleben, und dann kämen sie sich sicherlich wieder näher. Das jedenfalls hoffte Lily, die diese Entfremdung zwischen ihnen beiden kaum aushalten konnte. Das Schlimmste war, dass er nicht mehr mit ihr sprach. Und wieder einmal hatte er ihr keine Fachbücher mitgebracht.
»Wie geht es denn Ihrem Sohn, Misses Newman?«, fragte Doktor Claydon sie nun direkt. Sie seufzte. Es blieb ihr keine andere Wahl, als ihm zu antworten. Wenn sie es nicht täte, hätte man sie zu Recht der Unhöflichkeit bezichtigen können.
»Es geht ihm gut«, erwiderte sie förmlich, doch dann rutschte ihr in spitzem Ton heraus: »Er lebt, und das ist jeden Tag erneut Grund zur Freude. Was hatte ich für ein Glück, dass ...« Lily unterbrach sich und lief rot an. Nein, das hatte sie wirklich nicht aussprechen wollen, ahnte doch Edward nicht das Geringste von der dramatischen Geburt seines Sohnes. Lily hatte es vorgezogen, Doktor Ngata lieber gar nicht zu erwähnen. Die Erpressung ihres Schwiegervaters hatte seine Wirkung gezeigt. Sie traute ihm durchaus zu, Edward zu verraten, dass der fremde Doktor ganz allein ohne die Hebamme an ihrem Wochenbett geblieben war. Nun aber standen ihre Worte im Raum. Lily konnte nur hoffen, dass Edward nicht stutzig würde. Vergeblich, denn er blickte jetzt fragend von seiner Frau zu Doktor Claydon.
»Nun erzählt schon! Was soll ich nicht
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