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Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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lass mich hierbleiben bei meinem Kind! Ich schwöre dir, zwischen Tamati und mir ist nie etwas gewesen.« Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, und sie betete, dass er sich erweichen ließe, doch er trat einen Schritt beiseite.
      »Verschwinde!«, brüllte er. »Nun verschwinde doch endlich!«
      Lily verließ das Haus, ohne ihn noch einmal anzusehen, und beschleunigte ihren Schritt, kaum dass sie auf der Straße war. Das Gewicht des Koffers in ihrer Hand spürte sie kaum noch, bis sie schließlich die Kräfte verlassen wollten. Doch da hörte sie hinter sich das Trappeln von Pferdehufen. Sie wandte sich um und machte dem Kutscher ein Zeichen.
      »Wohin?«, fragte er.
      Lily hob die Schultern. In eine ungewisse Zukunft, dachte sie, doch sie sagte mit klarer Stimme: »Zum Hafen, bitte.«
     
     

Whangarei, März 1920
     
    Vivian saß auf der Veranda vor Matuis Haus und hing ihren Gedanken nach. Matui hatte sich, nachdem er ihr die traurige Geschichte ihrer Großmutter erzählt hatte, auf seine Matte zurückgezogen. Seit Tagen nahm er kaum Nahrung zu sich und dämmerte vor sich hin. Sie machte sich Sorgen um ihn und befürchtete schon, er werde die Geschichte womöglich gar nicht mehr vollenden können. Sie konnte sich nicht helfen, aber ihr Mitgefühl galt dem kleinen Peter. Es fiel ihr schwer, in ihm jenen kalten Mann, ihren Vater, zu sehen.
      Ein Hüsteln holte sie aus ihren Gedanken. Sie sah erschrocken auf und wollte kaum den Augen trauen. Es war Frederik, der vor der Veranda stand, in der Hand eine Zeitung. Vivian klopfte das Herz bis zum Hals.
      »Hast du schon gelesen, was dein Verlobter verfasst hat?«, fragte er und reichte ihr die neuste Ausgabe des Chronicle.
      »Nein«, entgegnete sie schwach und weigerte sich, die Titelzeile zu lesen.
      »Warum hast du das getan?«
      Vivian atmete tief durch.
      »Es ist mir aus Versehen herausgerutscht«, gab sie zähneknirschend zu.
      Frederik hatte sich auf einen Stuhl fallen gelassen. Vivian wagte nicht, ihn anzusehen, aber aus den Augenwinkeln konnte sie erkennen, dass seine Haut aschfahl war. Ihr erster Impuls war, ihm um den Hals zu fallen und ihn um Entschuldigung zu bitten, doch seine abweisende Miene hielt sie davon ab.
      »Wenn du willst, gehe ich zu Mister Morrison und sage ihm, dass das alles nicht wahr ist«, presste sie gequält hervor.
      »Er hat mich beurlaubt, bis die Sache geklärt ist«, entgegnete er, ohne ihren Blick zu suchen. »Nun lies schon!«
      Vivian zögerte, doch dann breitete sie die Zeitung vor sich aus. In ihrem Kopf hämmerte es, als sie die Schlagzeile vor ihren Augen tanzen sah. Sie konnte kein einziges Wort wirklich erkennen.
      »Ich will nicht«, sagte sie entschieden und warf die Zeitung zu Boden, bevor sie hektisch aufsprang und die Terrasse panisch verließ.
      Kopflos eilte sie ein Stück den Weg nach Whangarei hinunter und blieb erst stehen, als sie am Wasserfall vorbeikam. Keuchend rannte sie zum Wasser, riss sich die Kleider vom Leib und sprang in das kühle Nass. Wie eine Wahnsinnige tauchte sie wieder und wieder ihren Kopf unter Wasser. Er wollte schier zerbersten. Doch der Schmerz ließ nicht nach. Was hatte Janes Vater immer gesagt, wenn sie mit den Eltern ihrer Freundin an der See gewesen war? Du schwimmst wie ein Fisch. Vivian tauchte prustend auf. London, das kam ihr vor, als sei es eine halbe Ewigkeit her. O Jane, wenn du nur wüsstest, wie es mir geht, dachte Vivian, bevor sie noch einmal abtauchte. Endlich ließ der Schmerz nach.
      Erfrischt und mit klarem Kopf stieg sie schließlich aus dem Wasser und kleidete sich an. Ihr schlechtes Gewissen war wie weggeblasen. Was konnte sie eigentlich dafür, dass der Bischof und Frederik mit aller Macht ihre Lebenslügen aufrechterhalten wollten? Warum sollte man ihr einen Vorwurf machen, dass ihr bei diesem Lügengewirr die Wahrheit herausgerutscht war?
      Hocherhobenen Hauptes kehrte sie zurück. Frederik hockte noch immer auf dem Stuhl und warf ihr einen prüfenden Blick zu.
      »Wenn du glaubst, dass ich das absichtlich gemacht habe, kann ich dir nicht helfen«, erklärte sie scharf.
      »Vivian, was soll ich denn sonst glauben? Dass es ein Versehen war? Das kannst du nicht von mir erwarten.«
      »Ich erwarte gar nichts von dir«, entgegnete sie, während sie an ihm vorbei ins Haus ging. Sie erschrak, als sie beinahe mit Matui zusammenstieß.
      »Du bist wieder auf?«
      »Ja, ich darf nicht mehr so viel schlafen. Nachher wache ich nicht

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