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Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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»Ich gab Misses Füller einen Trank aus wehentreibenden Kräutern und Rizinusöl.«
      »Was soll das bewirken?«, mischte sich der Ankläger ein.
      »Dass die Wehen einsetzen. Erst kommt der Durchfall, dann das Baby. Umbringen kann man damit keinen, falls Sie darauf hinauswollen.«
      Im Saal kam es zu verhaltenem Gelächter. Mit einem flüchtigen Blick auf die Geschworenenbank stellte Lily befriedigt fest, dass sogar einigen der Geschworenen ein Lächeln über das Gesicht huschte.
      »Misses Newman, was steht an der Tür Ihrer Praxis?«
      »Praxis Doktor Tamati Ngata.«
      »Und warum steht Ihr Name nicht an der Tür?«
      »Weil ich keine examinierte Ärztin bin, sondern Doktor Ngata bis zu seinem Tod nur assistiert habe.«
      »Misses Füller haben Sie aber allein behandelt, nicht wahr?«
      »Nach dem Tod von Doktor Ngata gab es in der Region weder eine Hebamme noch einen Arzt. Da ich über genügend Erfahrung verfügte und die Frauen nach mir verlangten, habe ich sein Werk weitergeführt und vielen Menschen damit helfen können ...«
      »Ich beantrage, das Letzte als nicht gesagt zu werten. Das ist eine Einschätzung oder besser gesagt Überschätzung der Angeklagten, deren Wahrheitsgehalt die Gegenseite noch zu beweisen hat«, knurrte der Ankläger.
      »Antrag stattgegeben«, murmelte der Richter, doch es war ihm anzumerken, dass ihm das gegen den Strich ging.
      »Gut, dann frage ich Sie: Sie haben also bei einer Patientin eine Geburt eingeleitet, ohne Ärztin zu sein?«
      »Ich hatte doch das Wissen und ...«
      »Ja oder nein.«
      »Ja.« Lily senkte den Kopf.
      »Dann habe ich keine Fragen mehr an die Angeklagte«, bemerkte der Ankläger und warf einen siegessicheren Blick in Richtung der Geschworenenbank.
      »Misses Newman, haben Sie Medizin studiert?«, fragte William sie jetzt in sanftem Ton.
      »Ja, an der Universität von Otago bei Professor McWeir.«
      »Auf welchem Weg haben Sie außerdem das nötige Fachwissen erlangt?«
      »Mein Mann studierte in Sydney Medizin und brachte mir alle seine Lehrbücher mit, die ich verschlungen habe.«
      »Und später?«
      »Ich arbeitete als rechte Hand von Doktor Ngata und lernte dort in der Praxis alles über Geburtshilfe, was ich wissen musste, um es selbst anzuwenden.«
      »Und was wäre geschehen, wenn Mister Füller seine Frau nicht aus Ihrer Praxis gezerrt und auf seinem Wagen mitgenommen hätte?«
      »Einspruch, Euer Ehren, das ist rein spekulativ. Das hat mit den Tatsachen nichts zu tun.« Der Ankläger wischte sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn.
      »Einspruch stattgegeben.«
      William aber ließ sich nicht verunsichern.
      »Dann will ich die Frage anders stellen. Misses Newman, was haben Sie getan, als Mister Füller seine Frau aus Ihrer Praxis gezerrt hat?«
      »Ich habe ihn eindringlich gewarnt. Ich habe gebettelt und gefleht, er möge sie in Ruhe lassen, weil die Wehen eingesetzt hatten und sie ihr totes Kind zur Welt bringen würde. Ich habe ihm auf den Kopf zugesagt, dass seine Frau sterben würde, wenn er sie mitnähme.«
      »Ich habe keine Fragen mehr an die Angeklagte«, erklärte William und nickte Lily aufmunternd zu.
      Der Ankläger rief jetzt Mister Füller in den Zeugenstand. Lily bemerkte sofort, dass der Mann, der nun den Gerichtssaal betrat, nicht mehr in der Lage war, gerade zu gehen. Er schwankte hin und her. Auch sein knallrotes Gesicht bewies ihr, dass er sich Mut angetrunken hatte. Mit verwaschener Stimme schilderte er, wie er an jenem Tag nach seiner Frau gesucht habe, die angeblich einen Spaziergang am Hafen von Mangawhai habe machen wollen. Sein Kunde habe ihn versetzt, er habe zurück zur Farm gewollt und seine Frau gesucht. Ein altes Maori-Weib habe ihm versichert, sie sei in das Haus von Doktor Ngata gegangen. Er habe das nicht glauben wollen, weil inzwischen bekannt gewesen sei, dass sie gar keine Ärztin sei und das Liebchen eines ...
      An dieser Stelle rief der Anwalt: »Halt! Das gehört nicht hierher. Ich beantrage, Euer Ehren, den Zeugen aufzufordern, Spekulationen über das Privatleben meiner Mandantin zu unterlassen!«
      »Antrag der Verteidigung stattgegeben. Fahren Sie fort, aber sprechen Sie zur Sache ...«
      William warf Lily erneut einen flüchtigen Blick zu, in dem so viel geschrieben stand wie: Der Richter ist auf unserer Seite.
      »Dann muss ich anders fragen. Mister Füller, wen meinten Sie, als Sie eben von Doktor Ngata sprachen?«
     

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