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Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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blickte statt Frederik Vivian an.
      Sie bekam von Kopf bis Fuß eine Gänsehaut, denn in Wahrheit galten diese Worte schließlich ihr. Es ging nicht um Freds Geschichte, sondern um ihre eigene. Ob der alte Maori im tiefsten Innern ahnte, dass in Wirklichkeit sie diejenige war, um deren Familie es hier ging? Als ob er ihre Gedanken lesen könne, fragte er: »Warum bist du von so weit her in unser Land gekommen?«
      Vivian wurde bleich. Am liebsten hätte sie ihm auf der Stelle die ganze Wahrheit gesagt, denn es fiel ihr unendlich schwer, den Maori zu belügen. Zumal sie das Gefühl hatte, er würde sie ohnehin durchschauen.
      »Ich ... ich wurde hergeschickt, um ...«, stammelte Vivian, der diese überraschende Nähe zu dem Maori befremdlich erschien und zugleich angenehm war.
      »Sie ist eine entfernte Verwandte«, warf Fred rasch ein.
      Der alte Mann schüttelte unwirsch den Kopf. »Von wem?«
      Vivian wurde es abwechselnd heiß und kalt, und sie wusste beim besten Willen nicht, was sie erwidern sollte, ohne ihre wahre Herkunft zu verraten.
      »Eine Nichte meiner Mutter«, ergänzte Fred hektisch.
      »Ich hätte schwören können, sie ist mit dem Bischof verwandt«, bemerkte der alte Mann nachdenklich.
      »Kennen Sie meinen Vater denn persönlich?«, fragte Fred sichtlich erschrocken.
      »Besser, als ihm lieb ist«, entgegnete der Maori. »Und deshalb werde ich euch alles erzählen. Kommt morgen früh in mein Dorf oben auf dem Mount Parahaki. Seht nach Nordosten. Das ist mein Zuhause. Es wohnen nur noch wenige von uns dort oben. Fragt nach dem alten Matui Hone Heke. Das Dorf liegt linker Hand, wenn ihr am Gipfel seid. Mein Haus erkennt ihr daran, dass es einerseits ganz im Stil der Pakeha erbaut, die Front aber mit Schnitzereien verziert ist. Ihr könnt es nicht verfehlen. Aber ich muss noch ein wenig ruhen, bis ihr kommt. Ihr werdet etwa eine Dreiviertelstunde durch den Busch brauchen. Und seht auch nach links und rechts. Es gibt einen Wasserfall und heilige Kauribäume.«
      Dann eilte der Alte ohne ein weiteres Wort davon. Fred sah Vivian ungläubig an. »Kann er hellsehen? Ich glaube, der ahnt, dass Sie mit dem Bischof verwandt sind. Hoffentlich bekommt er nicht auch noch heraus, dass ich nur sein Stiefsohn bin. Er ist mir richtig unheimlich. Na ja, das muss ich in meinem Artikel ja nicht erwähnen. Aber jetzt kommen Sie schnell zur Kirche zurück! Ich möchte ein Foto von der Schnitzerei machen. Und zwar im Mittagslicht. Jetzt glühen die Augen aus Pauamuscheln besonders hell...«
      »Du solltest ihm schwören, kein Wort darüber zu schreiben. Und natürlich keine Fotos zu machen. Hast du das nicht kapiert? Es gibt keinen Artikel«, unterbrach Vivian ihn empört. Vor lauter Zorn vergaß sie jegliche Förmlichkeit, mit der sie ihm zuvor begegnet war.
      Fred lachte verlegen. »Nun, irgendetwas werde ich schon aus der Geschichte herausholen müssen. Das ist schließlich meine Aufgabe. Ich bin doch nicht völlig umsonst nach Whangarei gefahren und kann auf keinen Fall mit leeren Händen zurückkehren.«
      »Umsonst? Ich fasse es nicht. Merkst du denn gar nicht, dass er im Begriff steht, uns ein Geheimnis anzuvertrauen? Aber er erzählt es uns nur unter der Bedingung, dass du nichts veröffentlichst. Wehe, du verspielst sein Vertrauen!«, schnaubte Vivian.
      »Nun reg dich doch nicht so auf! Ich bin nun einmal in erster Linie ein Zeitungsmann. Ich werde mir von niemandem vorschreiben lassen, wie ich zu arbeiten habe. Weder von meinem Vater noch von diesem alten Zausel. Außerdem werde ich es ihm wohl kaum auf die Nase binden, dass ich doch etwas schreibe!«
      »Du willst ihn also hintergehen? Das ist gemein! Das hat er nicht verdient.«
      »Ich bin diesem Mann gar nichts schuldig.«
      »Jetzt verstehe ich. Es sind ja auch nicht deine Vorfahren, um die es hier geht!«, fauchte Vivian. »Du hast dich ja bestens mit den Lügen des Bischofs eingerichtet und alle Vorteile in seinem Haus genossen, aber mich hat man aus einer fernen Welt hierher verpflanzt. Ich habe nicht geahnt, was mich in Neuseeland erwartet, aber jetzt ergibt alles einen Sinn. Vielleicht erfahre ich endlich, warum ich weder die Alabasterhaut meiner Mutter noch die rotblonden Locken des Bischofs geerbt habe. Verdammt, es geht um mein Leben. Wer ist diese Frau, die der Maori so verehrt? Und wer ist jene, mit der ich angeblich solche Ähnlichkeit besitze ...«
      »Ist schon gut, Vivian, es ist ja alles gut. Ich

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