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Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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versucht. Damals, nachdem ich wieder auf den Beinen war, habe ich alles unternommen, um zu erfahren, was ihn zu dieser Untat getrieben hat. Aber das Einzige, was ich erfuhr, war die Tatsache, dass er das nächste Schiff nach Australien bestiegen hatte. All die Jahre habe ich es dabei belassen, bis ich krank wurde. Da wusste ich, ich darf Dir die Wahrheit nicht länger vorenthalten. Was ihn auch immer zu seiner überstürzten Fluchtaus London veranlasst haben mag, Du bist und bleibst sein Kind! Und Du bist nach meinem Tod keine Waise! Über seine Geldzuwendungen habe ich seine Adresse herausbekommen und ihn genötigt, Dich aufzunehmen. Er hat niemals gesagt, dass er Dich willkommen heißt, aber Du bist so ein starkes Menschenkind. Ich wünsche Dir von Herzen, dass es Dir gelingt, sein Geheimnis zu ergründen. Ich war zu schwach, doch Du wirst es schaffen. Bitte, hass mich nicht dafür, dass ich Dich gegen seinen Willen zu ihm geschickt habe. Nur dort in seiner Heimat wirst Du erfahren, warum Du anders bist als andere, denn ich glaube, diese Andersartigkeit ist der Schlüssel zu allem. Ich liebe Dich über alles. Mom
      »O Mom, wenn du nur wüsstest«, schluchzte Vivian verzweifelt auf.
     
     

Mount Parahaki/Whangarei, der nächste Morgen, Februar 1920
     
    Vivian hatte schlecht geschlafen und war bereits am frühen Morgen aufgewacht. Sie war völlig durcheinander, doch als sie einen prüfenden Blick auf ihre Uhr warf, wusste sie, was sie zu tun hatte. Es war sieben Uhr in der Frühe, und wenn sie sich beeilte, war sie aus dem Haus, bevor Fred sich auf den Weg machte. Es war ihre Geschichte, nicht seine, und die ging ihn nicht das Geringste an!
      Um halb acht stand sie bereits fertig angezogen an der Straße und eilte los. Dabei wandte sie sich ständig um, weil sie befürchtete, dass Fred sie verfolgen könnte. Als sie sich zum wiederholten Male nach hinten umsah, meinte sie, einen Schatten in einem Hauseingang verschwinden zu sehen. Das kann nicht Fred sein, mutmaßte sie. Der würde sich kaum vor ihr verstecken, sondern ihr eher hinterherlaufen, um sie einzuholen. Sie beschleunigte ihren Schritt. Am Fuß des Berges angekommen, zögerte sie. Als sie das undurchdringliche grüne Buschwerk vor sich aufsteigen sah, wollte sie beinahe den Mut verlieren. Wie sollte sie sich durch das Dickicht schlagen? Doch dann entdeckte sie einen Weg, der hinaufführte. Erleichtert begann sie mit dem Aufstieg. Allerdings beherzigte sie den Rat des Maori nicht, die Natur zu beiden Seiten zu bewundern. Im Gegenteil, sie bewegte sich fast im Laufschritt, weil alles so furchtbar fremd war. Es roch intensiv, aber Vivian wusste nicht wonach. Und von allen Seiten erklangen die unterschiedlichsten Vogelstimmen. Das war ein Gezwitscher, Getriller, Pfeifen und Schnattern. Doch plötzlich meinte sie, menschliche Schritte zu hören, aber sie wandte sich nicht um. Die pure Angst kroch ihr den Nacken herauf. Auf dem Rückweg nehme ich mir die Zeit, alles in Ruhe anzusehen, beschloss sie, während sie ihr Tempo noch einmal steigerte.
      Keuchend kam sie am Gipfel an und legte eine kleine Pause ein. Was sie nun erblickte, wollte ihr schier den Atem rauben. Unter ihr lag malerisch der Ort Whangarei mit seinem Hafen. Sonnenstrahlen funkelten auf dem Meer wie die Sterne am Himmel einer klaren Sommernacht. Vivian konnte sich nur schwer von diesem Anblick losreißen, und es war allein ihre Neugier, die sie schließlich weitereilen ließ. Da sah sie auch schon einen Zaun auftauchen und näherte sich ihm neugierig. Dahinter waren sowohl fensterlose Hütten als auch ein paar wenige kleine weiße Holzhäuser mit roten Dächern zu erkennen.
      Vivian klopfte das Herz bis zum Hals, als sie das Innere der Umzäunung betrat. Dieses merkwürdige Dorf erinnerte sie mehr an eine Festung als an eine ländliche Idylle. Auch hier drinnen war der größte Teil der alten Hütten noch einmal umzäunt. Bis auf einen in der Ferne bellenden Hund war es gespenstisch still.
      Suchend blickte sie sich um. Was hatte Matui Hone Heke gesagt? Ein Haus, gebaut nach der Art der Pakeha, aber mit Schnitzereien verziert. Sie drehte sich einmal im Kreis, um das richtige Haus zu finden, als eine bekannte Stimme hinter ihr rief: »Vivian, hier sind wir!«
      Sie fuhr wie ein Blitz herum und sah Fred aus dem Fenster eines der kleinen neueren Holzhäuser winken, dessen Fassade genauso verziert war, wie der Alte es beschrieben hatte.
      »Das darf doch nicht wahr sein!«, stieß sie

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