Der Schwur des Maori-Mädchens
verstehe doch, wie wichtig das für dich ist«, unterbrach Fred ihre flammende Rede und versuchte sie in die Arme zu nehmen, doch sie entzog sich seiner Annäherung.
»Wenn du mir nicht augenblicklich in die Hand versprichst, dass du niemals etwas darüber schreiben wirst, gehe ich allein. Und dann werde ich ihm die Wahrheit sagen. Auch über dich! Ihr könnt mich nicht dazu zwingen, eure Lügen mitzutragen. So, und jetzt versprich es mir!«
Vivian streckte dem jungen Mann forsch die Hand entgegen, aber er verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust.
»Ich lasse mich nicht von dir erpressen. Ich habe mir das mit Peter Newmans Lügen nicht ausgedacht, aber er war immer gut zu mir, und deshalb ...«
Vivian aber hörte ihm gar nicht mehr zu, sondern wandte sich um und ging.
»... und deshalb werde ich nicht zulassen, dass du seine Karriere zerstörst!«, brüllte Fred ihr hinterher.
Sie blieb stehen und schrie zurück: »Um ihn geht es dir doch gar nicht. Deine Karriere ist dir wichtiger als alles andere. Und die könntest du vergessen, wenn die Wahrheit ans Licht käme und deine Freundin erführe, dass du ein anderer bist, als du es vorgibst zu sein! Dann bist du nämlich ein australischer Niemand und nicht mehr der Sohn des Bischofs!«
Dann wandte sie sich wütend um und eilte mit gesenktem Kopf die Straße entlang in Richtung Hotel. Sie war völlig durcheinander und hatte Mühe, ihre Tränen zu unterdrücken. Es ist nicht fair von mir, ihm zu drohen, dachte sie beschämt, um gleich darauf wutschnaubend die Fäuste zu ballen bei dem Gedanken, dass er doch nur an seine Karriere dachte.
Erst als sie mit jemandem zusammenstieß, hielt sie abrupt inne. Sie hob den Kopf und blickte in Bens spöttisch blitzende braune Augen.
»Wohin so schnell des Weges, schöne Frau? Ich habe gerade überlegt, wo ich Sie wohl finden würde. Ich habe vorhin eine Kleinigkeit vergessen. Nämlich Ihnen zu sagen, dass ich Sie Wiedersehen möchte. Was halten Sie davon, wenn ich Sie nachher zum Essen ausführe?«
»Nein, heute geht es nicht. Ich muss mich ausruhen, denn Matui Hone Heke hat uns morgen früh zu sich eingeladen ...« Sie stockte. Sie dachte an Freds mahnende Worte. Nicht, dass sie Ben zu viel verriet!
»Oh, das hat der Kollege aber nur Ihnen zu verdanken. Ich habe vorhin mit angesehen, wie fasziniert der Alte von Ihnen war. Da haben er und ich übrigens etwas gemeinsam. Vielleicht hat er geglaubt, Sie hätten auch Maori-Wurzeln ...« Er unterbrach sich und musterte Vivian durchdringend. »Oder stimmt das vielleicht sogar?«
»Da muss ich Sie enttäuschen«, erwiderte Vivian in scharfem Ton. »Ich komme aus London und bin vorher noch nie weiter gereist als bis nach Brighton. Meine Mutter stammt aus Wales und hat keine Verwandten in Neuseeland.«
»Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Wie heißen Sie überhaupt?«
»Vivian Taylor.«
»Miss Taylor, es wäre mir ein Vergnügen, Sie morgen zu treffen. Dann können wir auch ein wenig darüber plaudern, was Matui Hone Heke Ihnen so erzählt hat.«
Erschrocken blickte sie ihn an. Fred hatte also recht gehabt. Er wollte sie nur ausfragen. Doch dann zwinkerte Ben ihr verschwörerisch zu und bemerkte schmunzelnd: »Sie haben geglaubt, dass ich Sie nur treffen möchte, um an Informationen zu gelangen, nicht wahr?«
Vivian lief rot an.
»Hat Ihnen das der werte Kollege erzählt? Vielleicht arbeitet er so, aber ich für meinen Teil bin in erster Linie an einem Abendessen mit Ihnen interessiert. Sie sind eine bemerkenswerte junge Frau, und mir gefällt die Art, wie Sie sich kleiden.«
Vivian kämpfte mit sich. War er wirklich nur ein charmanter Lügner? Oder war nicht eher Fred der Unaufrichtige von beiden?
Vivian konnte sich nicht helfen. So treuherzig, wie Ben sie gerade ansah, traute sie ihm nicht zu, sich nur mit ihr zu verabreden, um sie auszufragen. Und nachdem Fred ihr gerade sein wahres Gesicht gezeigt hatte, sah sie keinen Grund, Ben ihm zuliebe einen Korb zu geben.
»Gut, Sie können mich morgen am frühen Abend im Hotel abholen.«
»Es gibt hier weniger als eine Hand voll Unterkünfte. Sie wohnen sicherlich im Whangarei Hotel, nicht wahr?«
Vivian nickte. Ben reichte ihr seinen Arm. »Ich bringe Sie zum Hotel. Eine Frau allein in der flirrenden Mittagshitze ...«
Weiter kam er nicht, weil er von einer spöttischen Stimme unterbrochen wurde. »Richtig, eine Frau allein, das wollen wir
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