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Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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unheimlich.
      Entschlossen sprang sie vom Boden auf und bemerkte hastig: »Ich muss wieder zu meinem Begleiter. Er wird Sie gleich aufsuchen. Er ist nämlich aus Auckland von der Zeitung.«
      Das Gesicht des Alten verfinsterte sich. »Ich rede nicht mit den Zeitungsleuten. Sie drehen einem das Wort im Mund um und wittern Sensationen, wenn es mir um Menschlichkeit, Aufrichtigkeit und die Kraft der Ahnen geht.« Er deutete mit seiner faltigen Hand auf das geschnitzte Bildnis einer Frau, das aufrecht an einen Baum gelehnt stand. »Schau, meine Tochter, sieh sie dir nur an, sie hat die Ehre verdient, nicht er. Aber ich will nicht, dass sich die Zeitungsmeute auf diese Geschichte stürzt. Sie gehört mir und dem, der davon nichts wissen will.«
      Vivian war verunsichert. Das waren keine besonders guten Aussichten, hinter die Wahrheit dieser merkwürdigen Angelegenheit zu kommen. Und außerdem hatte sie sehr wohl bemerkt, wie vertraulich er sie anredete. Meine Tochter? Langsam wurde ihr diese Begegnung mehr als unheimlich, doch das versuchte sie zu verbergen, indem sie ihm kämpferisch erwiderte: »Wir werden es trotzdem versuchen. Vielleicht ändern Sie Ihre Meinung.«
      »Pass gut auf dich auf, mein Kind«, flüsterte er, ohne auf ihre Worte auch nur annähernd einzugehen. Er sprang so leichtfüßig vom Boden auf, als wäre er ein junger Spund. Vivian bemerkte, dass er unter seinem Federmantel die Kleidung eines Pakeha trug. Sie wollte ihm noch die Hand geben, doch da war er bereits auf sie zugetreten, legte seine Stirn an ihre Stirn und berührte mit seiner Nase ihre Nase. Vivian war so erschrocken, dass sie kurz zurückzuckte, doch dann ließ sie es geschehen. Und merkwürdigerweise war es ihr nicht einmal unangenehm. Bevor der Alte seiner Wege ging, murmelte er ihr noch ein paar Worte in seiner Sprache zu. Dabei meinte sie »Makere« herauszuhören, weil er es mehrfach beschwörend wiederholte. Vivians Blick fiel noch einmal auf die geschnitzte Holzfigur. Die Frau besaß ein ausdrucksstarkes Gesicht, das sie magisch anzog. Deshalb starrte sie die Schnitzerei eine Weile an, bis ein Raunen sie aus ihrem entrückten Zustand riss.
      Als sie sich umdrehte, waren die Augen aller auf sie gerichtet. Sie erschrak, denn sie hatte völlig vergessen, dass ihre merkwürdige Begegnung mit dem alten Maori unter der Beobachtung vieler Menschen stattgefunden hatte. Sie wurde rot und eilte zu Fred, der sie sogleich von der gaffenden Menge wegführte.
      »Was hat er gesagt?«, fragte Fred aufgeregt, kaum dass sie sich ein Stück von den Schaulustigen entfernt hatten.
      Vivian seufzte. »Ich erinnere ihn an jemanden, und er möchte nicht mit Zeitungsleuten sprechen. Ich habe ihm gesagt, dass wir es trotzdem versuchen ...« Sie unterbrach sich und spähte die Straße hinunter. Dort stand der alte Mann und winkte ihnen zu.
      »Vielleicht haben wir Glück«, raunte Vivian. »Er wartet auf uns.«
      »Vielleicht«, entgegnete Fred gedehnt und fügte hastig hinzu: »Ich glaube, es wäre besser, wenn ich ihm nicht gleich sagen würde, dass ich ... ich meine ... wir, also eher Sie, dass Sie die Tochter des Bischofs sind und ich sein Stiefsohn.«
      »Sie wissen ja, wie ich zu diesen Lügen stehe, aber in dem Fall gebe ich Ihnen recht. Ich glaube, es wäre von Vorteil, wenn Sie sich ihm mit dem Namen Summer und nicht mit Newman vorstellen würden.«
      »Sie sind ja ganz schön durchtrieben, junges Fräulein«, scherzte Fred, als sie auf den alten Mann zutraten, der im Schatten einer Palme auf sie wartete.
      »Darf ich vorstellen?«, sagte Vivian höflich. »Das ist mein Freund vom Herald, Frederik ...«
      »Summer«, ergänzte Fred, was ihm einen durchdringenden Blick des Maori einbrachte. Völlig unbeschwert streckte der junge Reporter dem alten Mann eine Hand entgegen, die dieser nach kurzem Zögern ergriff. »Ich habe schon gehört, dass Sie ungern mit der Presse über Ihre Abneigung gegen den Missionar Walter Carrington sprechen wollen ...«, plauderte Fred unbeschwert darauflos.
      »... Sie reden Unsinn, junger Mann«, unterbrach ihn der alte Maori unwirsch. »Ich empfinde keine Abneigung gegen ihn, es ist viel mehr. Ich kann ein großes Unrecht nicht ungesühnt lassen. Es ist der Wille der Ahnen. Nur deshalb haben sie mich noch nicht zu sich gerufen. Damit ich verhindere, dass eine Statue des scheinheiligen Missionars an dieser Stelle errichtet wird. Und damit ich dem Denkmal das Gesicht jener geben kann, die es

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