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Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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Handlung verurteilt hatte. Langsam aber leuchtete Matthew die Notwendigkeit ein, dem Unmut der Maori sichtbaren Ausdruck zu verleihen. Und was war dazu besser geeignet als der Fahnenmast? Die englische Fahne, die über allem wehte, war ein Symbol für die Unterdrückung der Maori.
      »Bist du dabei, wenn wir den Mast nun fällen?«, fragte Hone Heke.
      Matthews Wangen glühten vor Begeisterung, als er auch schon nach einer Axt verlangte. »Ich möchte den ersten Hieb tun!«, rief er euphorisch.
      Hone Heke lächelte siegessicher. »Du bist ein guter Krieger, Matui.«
      Der Häuptling ließ den Blick prüfend über seine Männer schweifen. »Wer gibt dem jungen Krieger seinen Kilt, damit er den ersten Axthieb in würdevoller Kleidung ausführen kann?«
      Im Nu war Hone Heke von Männern umringt, die ihren Kilt auszogen, um ihn dem Jungen zu borgen. Matthew sah verlegen zur Seite, denn die Männer standen nun zum Teil völlig entblößt vor ihm. Unter dem Kilt waren sie nackt. Die meisten besaßen auch Tätowierungen am Körper.
      Schließlich reichte der Häuptling Matthew den Kilt eines jungen Kriegers. Matthew zögerte, seinen Sonntagsanzug abzulegen, doch als Hone Heke ihm aufmunternd zunickte, zog er sich langsam aus. Beim Unterzeug angekommen, hielt er erneut inne. Er musste an seine Ziehmutter denken, der es immer ungemein wichtig war, dass er auch wirklich seine Unterhose trug. Ob er die auch ausziehen musste? Mittlerweile waren aller Augen auf ihn gerichtet, und das machte ihn zusätzlich verlegen. Er hatte Hemmungen, sich vollständig zu entblößen, sondern griff sich den Kilt und zog ihn rasch über die Unterhose. Täuschte er sich, oder feixten einige der Umstehenden auf seine Kosten? Matthew rang sich zu einem Lächeln durch. Schließlich konnten sie nicht erwarten, dass er sich von einem Augenblick zum nächsten in einen waschechten Maori verwandelte.
      Kämpferisch richtete er sich vor dem Häuptling auf und verlangte erneut nach der Axt. Mit klopfendem Herzen griff er nach der Waffe und näherte sich dem Fahnenmast, an dessen Spitze noch die Fahne stolz im Wind flatterte. Hinter ihm ertönte nun wieder der kämpferische Gesang der jungen Krieger. Als er sich umsah, hatten sich die Männer zu einem Haka aufgestellt und wirbelten ihre geschnitzten Stöcke wie zum Kampf durch die Luft. Matthew verstand jedes Wort. Ka mate, ich werde sterben, ka ora, ich werde leben. Whiti te ra hi, die Sonne scheint. Aber dann ließ er sich nur noch von dem Rhythmus führen. Er begann fest mit den Füßen auf den Boden zu stampfen. Erst zaghaft und dann immer fester.
      Wie in Trance tanzte Matthew schließlich vor dem Fahnenmast hin und her, bis er ausholte und mit voller Kraft in das Holz hieb.
      »Matui, ka mate!«, feuerte der Häuptling seine Männer an, bis sein Name aus allen Kehlen zu Matthew herüberschallte. »Matui! Matui!« Niemals zuvor war er so stolz gewesen wie in diesem Augenblick. Er hatte das Gefühl, von den Kriegern getragen zu werden. Er wandte sich zu ihnen um und reckte die Hand mit der Axt triumphierend zum Himmel empor. Wieder riefen sie seinen Namen. Dann schritt Hone Heke majestätisch auf ihn zu, kam mit seinem Gesicht ganz nahe an seines heran und rieb seine Nase an der des jungen Mannes. Matthew war ein wenig erschrocken. Zwar konnte er sich dunkel daran erinnern, dass sich die Erwachsenen in seinem Dorf auf diese Weise begrüßt hatten, doch nach so langer Zeit war es eher eine befremdliche Geste der Zuneigung. Er aber konnte seine Unsicherheit verbergen und tat so, als wäre das für ihn das Selbstverständlichste der Welt, dass ein Fremder die Nase gegen seine rieb. Trotzdem war er erleichtert, als die Prozedur beendet war.
      Nun trat eine Hand voll Krieger mit Äxten bewaffnet an den Fahnenmast heran und schlug auf das Holz ein, bis sich der Stamm ächzend zur Seite neigte und laut knirschend zu Boden stürzte. Die Maori begrüßten den Fall des Fahnenmastes mit lautem Triumphgeheul. Schließlich trat Hone Heke auf die Fahne zu und zündete sie an. Wieder ertönte zustimmendes Gebrüll. Als auch der Mast Feuer fing und eine kleine Rauchsäule gen Himmel stieg, fingen die Männer erneut zu tanzen und zu singen an.
      Matthew beobachtete das Treiben wie im Rausch.
      »Kommst du mit uns nach Kaikohe?«, hörte er Hone Heke wie von ferne fragen.
      Matthew zuckte zusammen. Obwohl ihn die Ereignisse des heutigen Abends faszinierten, durfte er sich doch nicht einfach aus

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